Papier: 2.1.4 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Originalversion

1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1
2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es enthält mehrere
3 Elemente und dient einerseits dem Schutz eines sozialen und
4 räumlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen und andererseits
5 dem Schutz der individuellen Freiheit, selbst über die
6 Präsentation der eigenen Person bestimmen zu können.
7 [Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1037.]
8
9 Zur zweiten Gruppe gehören das Recht am eigenen Bild und am
10 eigenen Wort und das seit dem Volkszählungsurteil aus dem
11 Jahr 1983 [Fußnote: BVerfGE 65, 1.] verfassungsgerichtlich
12 anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das
13 Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des
14 Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und
15 Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
16 [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.]
17
18
19 Informationelle Selbstbestimmung und Internet
20
21 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt
22 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative
23 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und stellen
24 sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe dar. Die
25 Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und
26 Interaktion werden erweitert.
27
28 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit der
29 Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher
30 Daten. Voraussetzung für viele Informations- und
31 Kommunikationsdienste sind personenbezogene Daten. Diese
32 Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, dass
33 mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, dass
34 Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. Der
35 Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich im digitalen
36 Zeitalter erheblich verändert. Im Kontext des Internet ist
37 die Verarbeitung von personenbezogenen Daten vielfach ein
38 wirtschaftliches Geschäftsmodell. Insbesondere in sozialen
39 Netzwerken, aber auch bei anderen Diensten im Internet,
40 werden eine Vielzahl von Daten von Nutzerinnen und Nutzern
41 selbst zur Verfügung gestellt.
42
43 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der
44 Verknüpfung von personenbezogenen Daten
45 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung
46 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die
47 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer
48 „Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung“[Fußnote: Zum
49 diesem Begriff: Kühling, Verw 40 (2007), 153, 155 ff.].
50 Diese Gefahr besteht nicht nur im Verhältnis Bürger – Staat,
51 sondern auch im Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher –
52 Unternehmen untereinander. Dies zeigt sich besonders
53 deutlich bei den Diensteanbietern im Internet. Der Erfolg
54 von Google oder sozialen Netzwerken wie Facebook und studiVZ
55 oder Internetprovidern ist geradezu dadurch bedingt, dass
56 diese gigantische informationelle Infrastrukturen
57 bereithalten.[Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1039.] Hier
58 sind die Grundrechte zwar nicht (unmittelbar) anwendbar. Der
59 Staat ist aber verpflichtet, „dem Einzelnen Schutz davor zu
60 bieten, dass private Dritte ohne sein Wissen und ohne seine
61 Einwilligung Zugriff auf die seine Individualität
62 kennzeichnenden Daten nehmen“[Fußnote: BVerfGE 117, 202,
63 229.] (grundrechtliche Schutzpflicht). Schließlich hat die
64 Verbreitung und Verarbeitung der eigenen personenbezogenen
65 Daten im Internet mittlerweile die Grenzen der
66 Nachvollziehbarkeit für den Einzelnen erreicht.
67
68 Der gegenwärtig diskutierte Datenschutz in sozialen
69 Netzwerken wirft aber auch weitere Fragen auf. Diese
70 betreffen insbesondere das Verhältnis der Nutzerinnen und
71 Nutzer zu den Anbietern entsprechender Plattformen,
72 beispielsweise wenn im Hintergrund personenbezogene Daten
73 gesammelt und in Profilen zusammengeführt werden. Auch in
74 diesem Fall muss der Schutz auf informationelle
75 Selbstbestimmung erhalten bleiben. Schließlich setzt die
76 freie Entfaltung der Persönlichkeit auch voraus, dass der
77 Einzelne gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung,
78 Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten
79 geschützt wird.[Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] Durch diese
80 Schutzwirkung wird der abschreckende Effekt fremden
81 (staatlichen und in Unternehmen vorhandenen) Geheimwissens
82 gehemmt, „der entstehen und zur Beeinträchtigung bei der
83 Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den
84 Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei
85 welcher Gelegenheit über ihn weiß.“[Fußnote: BVerfGE 113,
86 29, 46.] Mit anderen Worten: Wer befürchten muss, dass seine
87 „Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information
88 dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden,
89 wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen
90 aufzufallen.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.]
91
92 Mittlerweile hat sich daher ein kontextbezogener und
93 gesetzlich zu gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen
94 Komponenten auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies
95 reicht von gesetzlichen Regelungen im
96 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem
97 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG),
98 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und
99 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im
100 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz der
101 Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen Umgang
102 mit den eigenen personenbezogenen Daten.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1
2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es enthält mehrere
3 Elemente und dient einerseits dem Schutz eines sozialen und
4 räumlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen und andererseits
5 dem Schutz der individuellen Freiheit, selbst über die
6 Präsentation der eigenen Person bestimmen zu können.
7 [Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1037.]
8
9 Zur zweiten Gruppe gehören das Recht am eigenen Bild und am
10 eigenen Wort und das seit dem Volkszählungsurteil aus dem
11 Jahr 1983 [Fußnote: BVerfGE 65, 1.] verfassungsgerichtlich
12 anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das
13 Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des
14 Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und
15 Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
16 [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.]
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18
19 Informationelle Selbstbestimmung und Internet
20
21 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt
22 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative
23 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und stellen
24 sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe dar. Die
25 Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und
26 Interaktion werden erweitert.
27
28 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit der
29 Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher
30 Daten. Voraussetzung für viele Informations- und
31 Kommunikationsdienste sind personenbezogene Daten. Diese
32 Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, dass
33 mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, dass
34 Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. Der
35 Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich im digitalen
36 Zeitalter erheblich verändert. Im Kontext des Internet ist
37 die Verarbeitung von personenbezogenen Daten vielfach ein
38 wirtschaftliches Geschäftsmodell. Insbesondere in sozialen
39 Netzwerken, aber auch bei anderen Diensten im Internet,
40 werden eine Vielzahl von Daten von Nutzerinnen und Nutzern
41 selbst zur Verfügung gestellt.
42
43 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der
44 Verknüpfung von personenbezogenen Daten
45 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung
46 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die
47 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer
48 „Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung“[Fußnote: Zum
49 diesem Begriff: Kühling, Verw 40 (2007), 153, 155 ff.].
50 Diese Gefahr besteht nicht nur im Verhältnis Bürger – Staat,
51 sondern auch im Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher –
52 Unternehmen untereinander. Dies zeigt sich besonders
53 deutlich bei den Diensteanbietern im Internet. Der Erfolg
54 von Google oder sozialen Netzwerken wie Facebook und studiVZ
55 oder Internetprovidern ist geradezu dadurch bedingt, dass
56 diese gigantische informationelle Infrastrukturen
57 bereithalten.[Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1039.] Hier
58 sind die Grundrechte zwar nicht (unmittelbar) anwendbar. Der
59 Staat ist aber verpflichtet, „dem Einzelnen Schutz davor zu
60 bieten, dass private Dritte ohne sein Wissen und ohne seine
61 Einwilligung Zugriff auf die seine Individualität
62 kennzeichnenden Daten nehmen“[Fußnote: BVerfGE 117, 202,
63 229.] (grundrechtliche Schutzpflicht). Schließlich hat die
64 Verbreitung und Verarbeitung der eigenen personenbezogenen
65 Daten im Internet mittlerweile die Grenzen der
66 Nachvollziehbarkeit für den Einzelnen erreicht.
67
68 Der gegenwärtig diskutierte Datenschutz in sozialen
69 Netzwerken wirft aber auch weitere Fragen auf. Diese
70 betreffen insbesondere das Verhältnis der Nutzerinnen und
71 Nutzer zu den Anbietern entsprechender Plattformen,
72 beispielsweise wenn im Hintergrund personenbezogene Daten
73 gesammelt und in Profilen zusammengeführt werden. Auch in
74 diesem Fall muss der Schutz auf informationelle
75 Selbstbestimmung erhalten bleiben. Schließlich setzt die
76 freie Entfaltung der Persönlichkeit auch voraus, dass der
77 Einzelne gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung,
78 Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten
79 geschützt wird.[Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] Durch diese
80 Schutzwirkung wird der abschreckende Effekt fremden
81 (staatlichen und in Unternehmen vorhandenen) Geheimwissens
82 gehemmt, „der entstehen und zur Beeinträchtigung bei der
83 Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den
84 Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei
85 welcher Gelegenheit über ihn weiß.“[Fußnote: BVerfGE 113,
86 29, 46.] Mit anderen Worten: Wer befürchten muss, dass seine
87 „Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information
88 dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden,
89 wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen
90 aufzufallen.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.]
91
92 Mittlerweile hat sich daher ein kontextbezogener und
93 gesetzlich zu gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen
94 Komponenten auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies
95 reicht von gesetzlichen Regelungen im
96 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem
97 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG),
98 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und
99 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im
100 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz der
101 Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen Umgang
102 mit den eigenen personenbezogenen Daten.

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