1 | Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1 |
2 | i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es enthält mehrere |
3 | Elemente und dient einerseits dem Schutz eines sozialen und |
4 | räumlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen und andererseits |
5 | dem Schutz der individuellen Freiheit, selbst über die |
6 | Präsentation der eigenen Person bestimmen zu können. |
7 | [Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1037.] |
8 | |
9 | Zur zweiten Gruppe gehören das Recht am eigenen Bild und am |
10 | eigenen Wort und das seit dem Volkszählungsurteil aus dem |
11 | Jahr 1983 [Fußnote: BVerfGE 65, 1.] verfassungsgerichtlich |
12 | anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das |
13 | Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des |
14 | Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und |
15 | Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ |
16 | [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] |
17 | |
18 | --------------------------------------- |
19 | streitig Anfang |
20 | --------------------------------------- |
21 | |
22 | Informationelle Selbstbestimmung und Internet |
23 | |
24 | Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt |
25 | und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative |
26 | Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und stellen |
27 | sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe dar. Die |
28 | Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und |
29 | Interaktion werden erweitert. |
30 | |
31 | Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit der |
32 | Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher |
33 | Daten. Voraussetzung für viele Informations- und |
34 | Kommunikationsdienste sind personenbezogene Daten. Diese |
35 | Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, dass |
36 | mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, dass |
37 | Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. Der |
38 | Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich im digitalen |
39 | Zeitalter erheblich verändert. Im Kontext des Internet ist |
40 | die Verarbeitung von personenbezogenen Daten vielfach ein |
41 | wirtschaftliches Geschäftsmodell. Insbesondere in sozialen |
42 | Netzwerken, aber auch bei anderen Diensten im Internet, |
43 | werden eine Vielzahl von Daten von Nutzerinnen und Nutzern |
44 | selbst zur Verfügung gestellt. |
45 | |
46 | Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der |
47 | Verknüpfung von personenbezogenen Daten |
48 | (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung |
49 | automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die |
50 | Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer |
51 | „Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung“[Fußnote: Zum |
52 | diesem Begriff: Kühling, Verw 40 (2007), 153, 155 ff.]. |
53 | Diese Gefahr besteht nicht nur im Verhältnis Bürger – Staat, |
54 | sondern auch im Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher – |
55 | Unternehmen untereinander. Dies zeigt sich besonders |
56 | deutlich bei den Diensteanbietern im Internet. Der Erfolg |
57 | von Google oder sozialen Netzwerken wie Facebook und studiVZ |
58 | oder Internetprovidern ist geradezu dadurch bedingt, dass |
59 | diese gigantische informationelle Infrastrukturen |
60 | bereithalten.[Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1039.] Hier |
61 | sind die Grundrechte zwar nicht (unmittelbar) anwendbar. Der |
62 | Staat ist aber verpflichtet, „dem Einzelnen Schutz davor zu |
63 | bieten, dass private Dritte ohne sein Wissen und ohne seine |
64 | Einwilligung Zugriff auf die seine Individualität |
65 | kennzeichnenden Daten nehmen“[Fußnote: BVerfGE 117, 202, |
66 | 229.] (grundrechtliche Schutzpflicht). Schließlich hat die |
67 | Verbreitung und Verarbeitung der eigenen personenbezogenen |
68 | Daten im Internet mittlerweile die Grenzen der |
69 | Nachvollziehbarkeit für den Einzelnen erreicht. |
70 | |
71 | Der gegenwärtig diskutierte Datenschutz in sozialen |
72 | Netzwerken wirft aber auch weitere Fragen auf. Diese |
73 | betreffen insbesondere das Verhältnis der Nutzerinnen und |
74 | Nutzer zu den Anbietern entsprechender Plattformen, |
75 | beispielsweise wenn im Hintergrund personenbezogene Daten |
76 | gesammelt und in Profilen zusammengeführt werden. Auch in |
77 | diesem Fall muss der Schutz auf informationelle |
78 | Selbstbestimmung erhalten bleiben. Schließlich setzt die |
79 | freie Entfaltung der Persönlichkeit auch voraus, dass der |
80 | Einzelne gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, |
81 | Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten |
82 | geschützt wird.[Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] Durch diese |
83 | Schutzwirkung wird der abschreckende Effekt fremden |
84 | (staatlichen und in Unternehmen vorhandenen) Geheimwissens |
85 | gehemmt, „der entstehen und zur Beeinträchtigung bei der |
86 | Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den |
87 | Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei |
88 | welcher Gelegenheit über ihn weiß.“[Fußnote: BVerfGE 113, |
89 | 29, 46.] Mit anderen Worten: Wer befürchten muss, dass seine |
90 | „Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information |
91 | dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, |
92 | wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen |
93 | aufzufallen.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] |
94 | |
95 | Mittlerweile hat sich daher ein kontextbezogener und |
96 | gesetzlich zu gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen |
97 | Komponenten auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies |
98 | reicht von gesetzlichen Regelungen im |
99 | Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem |
100 | bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG), |
101 | über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und |
102 | Informationspflichten für Betreiber von Diensten im |
103 | Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz der |
104 | Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen Umgang |
105 | mit den eigenen personenbezogenen Daten. |
106 | |
107 | --------------------------------------- |
108 | streitig Ende |
109 | --------------------------------------- |
110 | |
111 | --------------------------------------- |
112 | Alternativvorschlag Anfang |
113 | --------------------------------------- |
114 | |
115 | Informationelle Selbstbestimmung und Internet |
116 | |
117 | Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt |
118 | und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative |
119 | Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und stellen |
120 | sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe dar. Die |
121 | Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und |
122 | Interaktion werden erweitert. |
123 | |
124 | Erst dieser Mehrwert machte „das Internet“ auch |
125 | wirtschaftlich erfolgreich. |
126 | |
127 | Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit der |
128 | Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher |
129 | Daten. Technische und wirtschaftliche Voraussetzung für |
130 | viele Informations- und Kommunikationsdienste sind |
131 | personenbezogene benutzen Daten zur Gewährleistung der |
132 | Funktionalität und zur Nutzung als Wirtschaftsgut. Die |
133 | personenbezogenen Nutzerdaten sind die ökonomische Basis der |
134 | meisten kostenlosen kommerziellen Internetdienste, bei denen |
135 | die Nutzerdaten zu einem Teil die Finanzierung ergänzen, |
136 | aber vor allem der „kostenlosen“ Informations- und |
137 | Kommunikationsangebote, für die die Werbe-, also die |
138 | Nutzerdaten, die Haupteinnahmequelle darstellten. Häufig |
139 | wurden diese Angebote erst durch die Nutzung der Kundendaten |
140 | zu anderen Zwecken wirtschaftlich erfolgreich. Neben den |
141 | Online-Spielen haben vor allem soziale Netzwerke die |
142 | Bereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer zur Herausgabe ihrer |
143 | personenbezogenen Daten gefördert und gesellschaftsfähig |
144 | gemacht. Der „Wandel der Privatheit“ ist somit zuerst die |
145 | Erschließung der Privatheit für kommerzielle Nutzung. |
146 | |
147 | Diese Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, |
148 | dass mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, |
149 | dass Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. |
150 | |
151 | Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der |
152 | Verknüpfung von personenbezogenen Daten |
153 | (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung |
154 | automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die |
155 | Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer |
156 | Welt, die zunehmend als „Welt der allgegenwärtigen |
157 | Datenverarbeitung“[36] erlebt wird. Mit der Computerisierung |
158 | des Alltags geht die Speicherung nahezu jeder Lebensäußerung |
159 | der Menschen einher. Vom „smarten“ Bad bis hin zur |
160 | elektronischen Fahrkarte und der online-Reservierung für das |
161 | Abendessen wird nahezu das gesamte Leben einzelner Personen |
162 | zum Gegenstand von Datenverarbeitungen. Diese Entwicklung |
163 | hat zweifellos auch positive Seiten. Die mit ihr einher |
164 | gehenden Risiken gehen jedoch das allgemeine |
165 | Persönlichkeitsrecht weit hinaus und betreffen alle Bereiche |
166 | der menschlichen Existenz in ihren wirtschaftlichen, |
167 | kulturellen, religiösen, politischen, sozialen und |
168 | wissenschaftlichen Beziehungen Hier geht es also nicht nur |
169 | um das Verhältnis Bürger – Staat, sondern auch um das |
170 | Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher – Unternehmen |
171 | untereinander. |
172 | |
173 | In dieser Situation ist die Gesellschaft verpflichtet, |
174 | Antworten über die Grenzen der juristischen |
175 | Rahmenbedingungen hinaus zu finden. Vor einer juristischen |
176 | Formung muss der technologische Wandel kulturell, |
177 | wissenschaftlich und damit letztlich ethisch bewertet |
178 | werden. |
179 | |
180 | Bisher hat sich ein kontextbezogener und gesetzlich zu |
181 | gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen Komponenten |
182 | auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies reicht von |
183 | europäischen Vorgaben über die gesetzlichen Regelungen im |
184 | Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem |
185 | bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG), |
186 | über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und |
187 | Informationspflichten für Betreiber von Diensten im |
188 | Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz der |
189 | Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen Umgang |
190 | mit den eigenen personenbezogenen Daten. |
191 | |
192 | Dieser verfassungsrechtliche „status quo“ ist zu erhalten |
193 | und auszubauen, denn er setzt nach wie vor an der richtigen |
194 | Grundprämisse an: personenbezogene Daten können potentiell |
195 | in einem Maße in die Freiheitsverbürgerungen der Verfassung |
196 | eingreifen, dass deren Nutzung staatlichen Schutz auslösen |
197 | muss. Neuartige Schutzkonzepte zu entwickeln, die den |
198 | modernen technischen Entwicklungen gerecht werden und die |
199 | Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger über ihre Daten |
200 | stärken, ist dabei die größte Herausforderung für eine |
201 | zukunftsorientierte Datenschutzpolitik. |
202 | |
203 | --------------------------------------- |
204 | streitig Anfang |
205 | --------------------------------------- |
206 | |
207 | Insbesondere im Hinblick auf das Kopplungsverbot besteht in |
208 | der digitalen Welt aber noch erheblicher |
209 | Nachbesserungsbedarf. Diese Vorschrift besagt, dass der |
210 | Abschluss von Verträgen nicht an die Zustimmung zur |
211 | Datenweitergabe oder Werbezusendung gekoppelt werden darf. |
212 | Eine solche Einwilligung ist dem Gesetz zufolge unwirksam, |
213 | wenn für den Betroffenen ein anderer Zugang zu |
214 | gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung |
215 | nicht zumutbar ist. |
216 | |
217 | Gleichwohl verlangen zahlreiche Diensteanbieter ihren Kunden |
218 | ab, in die Einwilligung zur Erhebung von weit mehr |
219 | persönlichen Daten einzuwilligen, als für die Nutzung des |
220 | betreffenden Angebots nötig wäre. So brauchen etwa ein |
221 | Onlinehändler keineswegs zu speichern, welche Angebote sich |
222 | Besucher ihrer Seite ansehen. Schon gar nicht brauchen sie |
223 | die entsprechenden Daten an Dritte weiterzugeben. Gleichwohl |
224 | lassen sich zahlreiche Onlinehändler genau diese Genehmigung |
225 | „freiwillig“ einräumen, wenn der Nutzer zum ersten Mal einen |
226 | Kauf tätigt. Einige dieser Anbieter haben zweifellos eine |
227 | marktbeherrschende Stellung, datenschutzfreundliche |
228 | Alternativen stehen häufig nicht zur Verfügung. |
229 | |
230 | Noch bedenklicher sieht es bei vielen sozialen Netzwerken |
231 | aus. Dass diese personenbezogene Daten der Nutzer erheben, |
232 | liegt zunächst in der Natur der Sache – der Wunsch, |
233 | persönlich identifizierbar zu sein, liegt der Nutzung eines |
234 | solchen Angebots schließlich zugrunde. Gleichwohl verlangen |
235 | zahlreiche Soziale Netzwerke ihren Kunden aber auch eine |
236 | Einwilligung in die Weitergabe solcher Daten an Dritte ab. |
237 | Stimmt der Kunde den entsprechenden Allgemeinen |
238 | Geschäftsbedingungen nicht zu, kann er in der Regel das |
239 | Angebot des betreffenden Netzwerks nicht nutzen. |
240 | Datenschutzfreundliche Alternativen gibt es kaum, zumal |
241 | Nutzer unterschiedlicher Netzwerke sich aufgrund der |
242 | hegemonistischen Abschottung dieser Portale gegen die |
243 | Konkurrenz nur schwer untereinander vernetzen können. |
244 | |
245 | Da manche sozialen Netzwerke zweifelsohne marktbeherrschende |
246 | Unternehmen sind, kann auch hier nicht davon ausgegangen |
247 | werden, dass dem Nutzer solchermaßen erzwungene |
248 | Einwilligungen bei Vertragsabschluss zuzumuten sind. Die |
249 | Praxis steht also klar im Widerspruch zum geltenden Recht, |
250 | wird aber derzeit stillschweigend geduldet, weil die |
251 | Monetarisierung der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger |
252 | für viele Internetunternehmen das einzige Geschäftsmodell |
253 | ist. Privatwirtschaftlichen Interessen wird hier der Vorrang |
254 | gegenüber Datenschutzbelangen eingeräumt. |
255 | |
256 | --------------------------------------- |
257 | streitig Ende |
258 | --------------------------------------- |
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2.1.4 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt -
2.1.4 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es enthält mehrere 3 Elemente und dient einerseits dem Schutz eines sozialen und 4 räumlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen und andererseits 5 dem Schutz der individuellen Freiheit, selbst über die 6 Präsentation der eigenen Person bestimmen zu können. 7 [Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1037.] 8 9 Zur zweiten Gruppe gehören das Recht am eigenen Bild und am 10 eigenen Wort und das seit dem Volkszählungsurteil aus dem 11 Jahr 1983 [Fußnote: BVerfGE 65, 1.] verfassungsgerichtlich 12 anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das 13 Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des 14 Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und 15 Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ 16 [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] 17 18 ---------------------------------------19 streitig Anfang20 ---------------------------------------21 22 Informationelle Selbstbestimmung und Internet 23 24 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt 25 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative 26 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und 27 stellen sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe 28 dar. Die Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und 29 Interaktion werden erweitert. 30 31 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit 32 der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher 33 Daten. Voraussetzung für viele Informations- und 34 Kommunikationsdienste sind personenbezogene Daten. Diese 35 Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, dass 36 mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, 37 dass Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. 38 Der Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich im 39 digitalen Zeitalter erheblich verändert. Im Kontext des 40 Internet ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten 41 vielfach ein wirtschaftliches Geschäftsmodell. Insbesondere 42 in sozialen Netzwerken, aber auch bei anderen Diensten im 43 Internet, werden eine Vielzahl von Daten von Nutzerinnen 44 und Nutzern selbst zur Verfügung gestellt. 45 46 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der 47 Verknüpfung von personenbezogenen Daten 48 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung 49 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die 50 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer 51 „Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung“[Fußnote: Zum 52 diesem Begriff: Kühling, Verw 40 (2007), 153, 155 ff.]. 53 Diese Gefahr besteht nicht nur im Verhältnis Bürger – 54 Staat, sondern auch im Verhältnis Bürger – Bürger und 55 Verbraucher – Unternehmen untereinander. Dies zeigt sich 56 besonders deutlich bei den Diensteanbietern im Internet. 57 Der Erfolg von Google oder sozialen Netzwerken wie Facebook 58 und studiVZ oder Internetprovidern ist geradezu dadurch 59 bedingt, dass diese gigantische informationelle 60 Infrastrukturen bereithalten.[Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 61 1035, 1039.] Hier sind die Grundrechte zwar nicht 62 (unmittelbar) anwendbar. Der Staat ist aber verpflichtet, 63 „dem Einzelnen Schutz davor zu bieten, dass private Dritte 64 ohne sein Wissen und ohne seine Einwilligung Zugriff auf 65 die seine Individualität kennzeichnenden Daten 66 nehmen“[Fußnote: BVerfGE 117, 202, 229.] (grundrechtliche 67 Schutzpflicht). Schließlich hat die Verbreitung und 68 Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten im 69 Internet mittlerweile die Grenzen der Nachvollziehbarkeit 70 für den Einzelnen erreicht. 71 72 Der gegenwärtig diskutierte Datenschutz in sozialen 73 Netzwerken wirft aber auch weitere Fragen auf. Diese 74 betreffen insbesondere das Verhältnis der Nutzerinnen und 75 Nutzer zu den Anbietern entsprechender Plattformen, 76 beispielsweise wenn im Hintergrund personenbezogene Daten 77 gesammelt und in Profilen zusammengeführt werden. Auch in 78 diesem Fall muss der Schutz auf informationelle 79 Selbstbestimmung erhalten bleiben. Schließlich setzt die 80 freie Entfaltung der Persönlichkeit auch voraus, dass der 81 Einzelne gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, 82 Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten 83 geschützt wird.[Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] Durch diese 84 Schutzwirkung wird der abschreckende Effekt fremden 85 (staatlichen und in Unternehmen vorhandenen) Geheimwissens 86 gehemmt, „der entstehen und zur Beeinträchtigung bei der 87 Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den 88 Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei 89 welcher Gelegenheit über ihn weiß.“[Fußnote: BVerfGE 113, 90 29, 46.] Mit anderen Worten: Wer befürchten muss, dass 91 seine „Verhaltensweisen jederzeit notiert und als 92 Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder 93 weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche 94 Verhaltensweisen aufzufallen.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] 95 96 Mittlerweile hat sich daher ein kontextbezogener und 97 gesetzlich zu gewährender Schutzrahmen mit 98 unterschiedlichen Komponenten auf verschiedenen Ebenen 99 herausgebildet. Dies reicht von gesetzlichen Regelungen im 100 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem 101 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG), 102 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und 103 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im 104 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz 105 der Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen 106 Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten. 107 108 ---------------------------------------109 streitig Ende110 ---------------------------------------111 112 ---------------------------------------113 Alternativvorschlag Anfang114 ---------------------------------------115 116 Informationelle Selbstbestimmung und Internet117 118 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt119 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative120 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und121 stellen sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe122 dar. Die Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und123 Interaktion werden erweitert.124 125 Erst dieser Mehrwert machte „das Internet“ auch126 wirtschaftlich erfolgreich.127 128 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit129 der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher130 Daten. Technische und wirtschaftliche Voraussetzung für131 viele Informations- und Kommunikationsdienste sind132 personenbezogene benutzen Daten zur Gewährleistung der133 Funktionalität und zur Nutzung als Wirtschaftsgut. Die134 personenbezogenen Nutzerdaten sind die ökonomische Basis135 der meisten kostenlosen kommerziellen Internetdienste, bei136 denen die Nutzerdaten zu einem Teil die Finanzierung137 ergänzen, aber vor allem der „kostenlosen“ Informations-138 und Kommunikationsangebote, für die die Werbe-, also die139 Nutzerdaten, die Haupteinnahmequelle darstellten. Häufig140 wurden diese Angebote erst durch die Nutzung der141 Kundendaten zu anderen Zwecken wirtschaftlich erfolgreich.142 Neben den Online-Spielen haben vor allem soziale Netzwerke143 die Bereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer zur Herausgabe144 ihrer personenbezogenen Daten gefördert und145 gesellschaftsfähig gemacht. Der „Wandel der Privatheit“ ist146 somit zuerst die Erschließung der Privatheit für147 kommerzielle Nutzung.148 149 Diese Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es,150 dass mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei151 es, dass Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten152 erlangen.153 154 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der155 Verknüpfung von personenbezogenen Daten156 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung157 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die158 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer159 Welt, die zunehmend als „Welt der allgegenwärtigen160 Datenverarbeitung“[36] erlebt wird. Mit der161 Computerisierung des Alltags geht die Speicherung nahezu162 jeder Lebensäußerung der Menschen einher. Vom „smarten“ Bad163 bis hin zur elektronischen Fahrkarte und der164 online-Reservierung für das Abendessen wird nahezu das165 gesamte Leben einzelner Personen zum Gegenstand von166 Datenverarbeitungen. Diese Entwicklung hat zweifellos auch167 positive Seiten. Die mit ihr einher gehenden Risiken gehen168 jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht weit hinaus und169 betreffen alle Bereiche der menschlichen Existenz in ihren170 wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen, politischen,171 sozialen und wissenschaftlichen Beziehungen Hier geht es172 also nicht nur um das Verhältnis Bürger – Staat, sondern173 auch um das Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher –174 Unternehmen untereinander.175 176 In dieser Situation ist die Gesellschaft verpflichtet,177 Antworten über die Grenzen der juristischen178 Rahmenbedingungen hinaus zu finden. Vor einer juristischen179 Formung muss der technologische Wandel kulturell,180 wissenschaftlich und damit letztlich ethisch bewertet181 werden.182 183 Bisher hat sich ein kontextbezogener und gesetzlich zu184 gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen Komponenten185 auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies reicht von186 europäischen Vorgaben über die gesetzlichen Regelungen im187 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem188 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG),189 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und190 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im191 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz192 der Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen193 Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten.194 195 Dieser verfassungsrechtliche „status quo“ ist zu erhalten196 und auszubauen, denn er setzt nach wie vor an der richtigen197 Grundprämisse an: personenbezogene Daten können potentiell198 in einem Maße in die Freiheitsverbürgerungen der Verfassung199 eingreifen, dass deren Nutzung staatlichen Schutz auslösen200 muss. Neuartige Schutzkonzepte zu entwickeln, die den201 modernen technischen Entwicklungen gerecht werden und die202 Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger über ihre Daten203 stärken, ist dabei die größte Herausforderung für eine204 zukunftsorientierte Datenschutzpolitik.205 206 ---------------------------------------207 Alternativvorschlag Ende208 ---------------------------------------209 210 ---------------------------------------211 streitig Anfang212 ---------------------------------------213 214 Insbesondere im Hinblick auf das Kopplungsverbot besteht in215 der digitalen Welt aber noch erheblicher216 Nachbesserungsbedarf. Diese Vorschrift besagt, dass der217 Abschluss von Verträgen nicht an die Zustimmung zur218 Datenweitergabe oder Werbezusendung gekoppelt werden darf.219 Eine solche Einwilligung ist dem Gesetz zufolge unwirksam,220 wenn für den Betroffenen ein anderer Zugang zu221 gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung222 nicht zumutbar ist.223 224 Gleichwohl verlangen zahlreiche Diensteanbieter ihren225 Kunden ab, in die Einwilligung zur Erhebung von weit mehr226 persönlichen Daten einzuwilligen, als für die Nutzung des227 betreffenden Angebots nötig wäre. So brauchen etwa ein228 Onlinehändler keineswegs zu speichern, welche Angebote sich229 Besucher ihrer Seite ansehen. Schon gar nicht brauchen sie230 die entsprechenden Daten an Dritte weiterzugeben.231 Gleichwohl lassen sich zahlreiche Onlinehändler genau diese232 Genehmigung „freiwillig“ einräumen, wenn der Nutzer zum233 ersten Mal einen Kauf tätigt. Einige dieser Anbieter haben234 zweifellos eine marktbeherrschende Stellung,235 datenschutzfreundliche Alternativen stehen häufig nicht zur236 Verfügung.237 238 Noch bedenklicher sieht es bei vielen sozialen Netzwerken239 aus. Dass diese personenbezogene Daten der Nutzer erheben,240 liegt zunächst in der Natur der Sache – der Wunsch,241 persönlich identifizierbar zu sein, liegt der Nutzung eines242 solchen Angebots schließlich zugrunde. Gleichwohl verlangen243 zahlreiche Soziale Netzwerke ihren Kunden aber auch eine244 Einwilligung in die Weitergabe solcher Daten an Dritte ab.245 Stimmt der Kunde den entsprechenden Allgemeinen246 Geschäftsbedingungen nicht zu, kann er in der Regel das247 Angebot des betreffenden Netzwerks nicht nutzen.248 Datenschutzfreundliche Alternativen gibt es kaum, zumal249 Nutzer unterschiedlicher Netzwerke sich aufgrund der250 hegemonistischen Abschottung dieser Portale gegen die251 Konkurrenz nur schwer untereinander vernetzen können.252 253 Da manche sozialen Netzwerke zweifelsohne254 marktbeherrschende Unternehmen sind, kann auch hier nicht255 davon ausgegangen werden, dass dem Nutzer solchermaßen256 erzwungene Einwilligungen bei Vertragsabschluss zuzumuten257 sind. Die Praxis steht also klar im Widerspruch zum258 geltenden Recht, wird aber derzeit stillschweigend259 geduldet, weil die Monetarisierung der Privatsphäre der260 Bürgerinnen und Bürger für viele Internetunternehmen das261 einzige Geschäftsmodell ist. Privatwirtschaftlichen262 Interessen wird hier der Vorrang gegenüber263 Datenschutzbelangen eingeräumt.264 265 ---------------------------------------266 streitig Ende267 ---------------------------------------268 -
2.1.4 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 2 Abs. 1 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es enthält mehrere 3 Elemente und dient einerseits dem Schutz eines sozialen und 4 räumlichen Rückzugsbereichs des Einzelnen und andererseits 5 dem Schutz der individuellen Freiheit, selbst über die 6 Präsentation der eigenen Person bestimmen zu können. 7 [Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 1035, 1037.] 8 9 Zur zweiten Gruppe gehören das Recht am eigenen Bild und am 10 eigenen Wort und das seit dem Volkszählungsurteil aus dem 11 Jahr 1983 [Fußnote: BVerfGE 65, 1.] verfassungsgerichtlich 12 anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. „Das 13 Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des 14 Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und 15 Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ 16 [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] 17 18 --------------------------------------- 19 streitig Anfang 20 --------------------------------------- 21 22 Informationelle Selbstbestimmung und Internet 23 24 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt 25 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative 26 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und 27 stellen sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe 28 dar. Die Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und 29 Interaktion werden erweitert. 30 31 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit 32 der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher 33 Daten. Voraussetzung für viele Informations- und 34 Kommunikationsdienste sind personenbezogene Daten. Diese 35 Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, dass 36 mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei es, 37 dass Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten erlangen. 38 Der Umgang mit personenbezogenen Daten hat sich im 39 digitalen Zeitalter erheblich verändert. Im Kontext des 40 Internet ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten 41 vielfach ein wirtschaftliches Geschäftsmodell. Insbesondere 42 in sozialen Netzwerken, aber auch bei anderen Diensten im 43 Internet, werden eine Vielzahl von Daten von Nutzerinnen 44 und Nutzern selbst zur Verfügung gestellt. 45 46 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der 47 Verknüpfung von personenbezogenen Daten 48 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung 49 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die 50 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer 51 „Welt der allgegenwärtigen Datenverarbeitung“[Fußnote: Zum 52 diesem Begriff: Kühling, Verw 40 (2007), 153, 155 ff.]. 53 Diese Gefahr besteht nicht nur im Verhältnis Bürger – 54 Staat, sondern auch im Verhältnis Bürger – Bürger und 55 Verbraucher – Unternehmen untereinander. Dies zeigt sich 56 besonders deutlich bei den Diensteanbietern im Internet. 57 Der Erfolg von Google oder sozialen Netzwerken wie Facebook 58 und studiVZ oder Internetprovidern ist geradezu dadurch 59 bedingt, dass diese gigantische informationelle 60 Infrastrukturen bereithalten.[Fußnote: Gurlit, NJW 2010, 61 1035, 1039.] Hier sind die Grundrechte zwar nicht 62 (unmittelbar) anwendbar. Der Staat ist aber verpflichtet, 63 „dem Einzelnen Schutz davor zu bieten, dass private Dritte 64 ohne sein Wissen und ohne seine Einwilligung Zugriff auf 65 die seine Individualität kennzeichnenden Daten 66 nehmen“[Fußnote: BVerfGE 117, 202, 229.] (grundrechtliche 67 Schutzpflicht). Schließlich hat die Verbreitung und 68 Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten im 69 Internet mittlerweile die Grenzen der Nachvollziehbarkeit 70 für den Einzelnen erreicht. 71 72 Der gegenwärtig diskutierte Datenschutz in sozialen 73 Netzwerken wirft aber auch weitere Fragen auf. Diese 74 betreffen insbesondere das Verhältnis der Nutzerinnen und 75 Nutzer zu den Anbietern entsprechender Plattformen, 76 beispielsweise wenn im Hintergrund personenbezogene Daten 77 gesammelt und in Profilen zusammengeführt werden. Auch in 78 diesem Fall muss der Schutz auf informationelle 79 Selbstbestimmung erhalten bleiben. Schließlich setzt die 80 freie Entfaltung der Persönlichkeit auch voraus, dass der 81 Einzelne gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, 82 Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten 83 geschützt wird.[Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] Durch diese 84 Schutzwirkung wird der abschreckende Effekt fremden 85 (staatlichen und in Unternehmen vorhandenen) Geheimwissens 86 gehemmt, „der entstehen und zur Beeinträchtigung bei der 87 Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den 88 Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei 89 welcher Gelegenheit über ihn weiß.“[Fußnote: BVerfGE 113, 90 29, 46.] Mit anderen Worten: Wer befürchten muss, dass 91 seine „Verhaltensweisen jederzeit notiert und als 92 Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder 93 weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche 94 Verhaltensweisen aufzufallen.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 43.] 95 96 Mittlerweile hat sich daher ein kontextbezogener und 97 gesetzlich zu gewährender Schutzrahmen mit 98 unterschiedlichen Komponenten auf verschiedenen Ebenen 99 herausgebildet. Dies reicht von gesetzlichen Regelungen im 100 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem 101 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG), 102 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und 103 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im 104 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz 105 der Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen 106 Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten. 107 108 --------------------------------------- 109 streitig Ende 110 --------------------------------------- 111 112 --------------------------------------- 113 Alternativvorschlag Anfang 114 --------------------------------------- 115 116 Informationelle Selbstbestimmung und Internet 117 118 Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt 119 und selbstbewusst ihr Leben zu gestalten. Innovative 120 Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und 121 stellen sich oft als Bereicherung oder praktische Hilfe 122 dar. Die Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und 123 Interaktion werden erweitert. 124 125 Erst dieser Mehrwert machte „das Internet“ auch 126 wirtschaftlich erfolgreich. 127 128 Viele dieser Chancen und Möglichkeiten gehen einher mit 129 der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung zahlreicher 130 Daten. Technische und wirtschaftliche Voraussetzung für 131 viele Informations- und Kommunikationsdienste sind 132 personenbezogene benutzen Daten zur Gewährleistung der 133 Funktionalität und zur Nutzung als Wirtschaftsgut. Die 134 personenbezogenen Nutzerdaten sind die ökonomische Basis 135 der meisten kostenlosen kommerziellen Internetdienste, bei 136 denen die Nutzerdaten zu einem Teil die Finanzierung 137 ergänzen, aber vor allem der „kostenlosen“ Informations- 138 und Kommunikationsangebote, für die die Werbe-, also die 139 Nutzerdaten, die Haupteinnahmequelle darstellten. Häufig 140 wurden diese Angebote erst durch die Nutzung der 141 Kundendaten zu anderen Zwecken wirtschaftlich erfolgreich. 142 Neben den Online-Spielen haben vor allem soziale Netzwerke 143 die Bereitschaft der Nutzerinnen und Nutzer zur Herausgabe 144 ihrer personenbezogenen Daten gefördert und 145 gesellschaftsfähig gemacht. Der „Wandel der Privatheit“ ist 146 somit zuerst die Erschließung der Privatheit für 147 kommerzielle Nutzung. 148 149 Diese Dienste sind aber auch missbrauchsanfällig, sei es, 150 dass mehr Daten als erforderlich gespeichert werden, sei 151 es, dass Nichtberechtigte Zugang zu sensiblen Daten 152 erlangen. 153 154 Durch die zunehmende Vernetzung, die Möglichkeit der 155 Verknüpfung von personenbezogenen Daten 156 (Persönlichkeitsprofile) und die ständige Weiterentwicklung 157 automatischer Datenerfassungssysteme potenziert sich die 158 Gefahr für das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einer 159 Welt, die zunehmend als „Welt der allgegenwärtigen 160 Datenverarbeitung“[36] erlebt wird. Mit der 161 Computerisierung des Alltags geht die Speicherung nahezu 162 jeder Lebensäußerung der Menschen einher. Vom „smarten“ Bad 163 bis hin zur elektronischen Fahrkarte und der 164 online-Reservierung für das Abendessen wird nahezu das 165 gesamte Leben einzelner Personen zum Gegenstand von 166 Datenverarbeitungen. Diese Entwicklung hat zweifellos auch 167 positive Seiten. Die mit ihr einher gehenden Risiken gehen 168 jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht weit hinaus und 169 betreffen alle Bereiche der menschlichen Existenz in ihren 170 wirtschaftlichen, kulturellen, religiösen, politischen, 171 sozialen und wissenschaftlichen Beziehungen Hier geht es 172 also nicht nur um das Verhältnis Bürger – Staat, sondern 173 auch um das Verhältnis Bürger – Bürger und Verbraucher – 174 Unternehmen untereinander. 175 176 In dieser Situation ist die Gesellschaft verpflichtet, 177 Antworten über die Grenzen der juristischen 178 Rahmenbedingungen hinaus zu finden. Vor einer juristischen 179 Formung muss der technologische Wandel kulturell, 180 wissenschaftlich und damit letztlich ethisch bewertet 181 werden. 182 183 Bisher hat sich ein kontextbezogener und gesetzlich zu 184 gewährender Schutzrahmen mit unterschiedlichen Komponenten 185 auf verschiedenen Ebenen herausgebildet. Dies reicht von 186 europäischen Vorgaben über die gesetzlichen Regelungen im 187 Bundesdatenschutzgesetz (wie beispielsweise dem 188 bußgeldbewährten Kopplungsverbot des § 28 Abs. 3b BDSG), 189 über die Auferlegung entsprechender Transparenz- und 190 Informationspflichten für Betreiber von Diensten im 191 Internet, bis hin zu einer Förderung der Medienkompetenz 192 der Nutzerinnen und Nutzer für einen verantwortungsvollen 193 Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten. 194 195 Dieser verfassungsrechtliche „status quo“ ist zu erhalten 196 und auszubauen, denn er setzt nach wie vor an der richtigen 197 Grundprämisse an: personenbezogene Daten können potentiell 198 in einem Maße in die Freiheitsverbürgerungen der Verfassung 199 eingreifen, dass deren Nutzung staatlichen Schutz auslösen 200 muss. Neuartige Schutzkonzepte zu entwickeln, die den 201 modernen technischen Entwicklungen gerecht werden und die 202 Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger über ihre Daten 203 stärken, ist dabei die größte Herausforderung für eine 204 zukunftsorientierte Datenschutzpolitik. 205 206 --------------------------------------- 207 Alternativvorschlag Ende 208 --------------------------------------- 209 210 --------------------------------------- 211 streitig Anfang 212 --------------------------------------- 213 214 Insbesondere im Hinblick auf das Kopplungsverbot besteht in 215 der digitalen Welt aber noch erheblicher 216 Nachbesserungsbedarf. Diese Vorschrift besagt, dass der 217 Abschluss von Verträgen nicht an die Zustimmung zur 218 Datenweitergabe oder Werbezusendung gekoppelt werden darf. 219 Eine solche Einwilligung ist dem Gesetz zufolge unwirksam, 220 wenn für den Betroffenen ein anderer Zugang zu 221 gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne Einwilligung 222 nicht zumutbar ist. 223 224 Gleichwohl verlangen zahlreiche Diensteanbieter ihren 225 Kunden ab, in die Einwilligung zur Erhebung von weit mehr 226 persönlichen Daten einzuwilligen, als für die Nutzung des 227 betreffenden Angebots nötig wäre. So brauchen etwa ein 228 Onlinehändler keineswegs zu speichern, welche Angebote sich 229 Besucher ihrer Seite ansehen. Schon gar nicht brauchen sie 230 die entsprechenden Daten an Dritte weiterzugeben. 231 Gleichwohl lassen sich zahlreiche Onlinehändler genau diese 232 Genehmigung „freiwillig“ einräumen, wenn der Nutzer zum 233 ersten Mal einen Kauf tätigt. Einige dieser Anbieter haben 234 zweifellos eine marktbeherrschende Stellung, 235 datenschutzfreundliche Alternativen stehen häufig nicht zur 236 Verfügung. 237 238 Noch bedenklicher sieht es bei vielen sozialen Netzwerken 239 aus. Dass diese personenbezogene Daten der Nutzer erheben, 240 liegt zunächst in der Natur der Sache – der Wunsch, 241 persönlich identifizierbar zu sein, liegt der Nutzung eines 242 solchen Angebots schließlich zugrunde. Gleichwohl verlangen 243 zahlreiche Soziale Netzwerke ihren Kunden aber auch eine 244 Einwilligung in die Weitergabe solcher Daten an Dritte ab. 245 Stimmt der Kunde den entsprechenden Allgemeinen 246 Geschäftsbedingungen nicht zu, kann er in der Regel das 247 Angebot des betreffenden Netzwerks nicht nutzen. 248 Datenschutzfreundliche Alternativen gibt es kaum, zumal 249 Nutzer unterschiedlicher Netzwerke sich aufgrund der 250 hegemonistischen Abschottung dieser Portale gegen die 251 Konkurrenz nur schwer untereinander vernetzen können. 252 253 Da manche sozialen Netzwerke zweifelsohne 254 marktbeherrschende Unternehmen sind, kann auch hier nicht 255 davon ausgegangen werden, dass dem Nutzer solchermaßen 256 erzwungene Einwilligungen bei Vertragsabschluss zuzumuten 257 sind. Die Praxis steht also klar im Widerspruch zum 258 geltenden Recht, wird aber derzeit stillschweigend 259 geduldet, weil die Monetarisierung der Privatsphäre der 260 Bürgerinnen und Bürger für viele Internetunternehmen das 261 einzige Geschäftsmodell ist. Privatwirtschaftlichen 262 Interessen wird hier der Vorrang gegenüber 263 Datenschutzbelangen eingeräumt. 264 265 --------------------------------------- 266 streitig Ende 267 ---------------------------------------