Papier: 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts
Originalversion
1 | Erlaubnisvorbehalt |
2 | |
3 | |
4 | Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in |
5 | einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit |
6 | personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der |
7 | Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert ihn. |
8 | Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht (Art. 7 |
9 | DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 1 BDSG) |
10 | und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z. B. § 12 TMG) |
11 | normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit eines jeden |
12 | einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob der |
13 | Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf einen |
14 | gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. |
15 | |
16 | Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen |
17 | Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von |
18 | erheblicher Bedeutung. Sie legitimiert einen |
19 | Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam erteilt |
20 | wurde, wofür das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen |
21 | vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch Art. 7 lit. a) DSRL). |
22 | Nach nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur |
23 | wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des |
24 | Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt |
25 | voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner |
26 | Entscheidung erkennen kann. |
27 | |
28 | Die Einwilligung in die Datenerhebung oder –verarbeitung ist |
29 | daher nur dann zulässig, wenn die betreffende Person „ohne |
30 | jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies |
31 | impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und |
32 | freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung |
33 | setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die |
34 | Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung erteilt |
35 | werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von |
36 | Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung |
37 | nicht „privacy by default“ vorsehen, genügt nicht der |
38 | Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis |
39 | der möglichen Einstellungen und ihrer |
40 | Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder |
41 | bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen |
42 | Diensteanbietern gefördert wird. |
43 | An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es |
44 | jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation |
45 | wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung |
46 | erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige |
47 | Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe |
48 | seiner Daten verleitet wird. |
49 | Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner |
50 | unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird |
51 | diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die |
52 | Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben |
53 | werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst |
54 | nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber auch |
55 | von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in zumutbarer |
56 | Weise zur Verfügung steht. |
57 | |
58 | Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den |
59 | vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung |
60 | hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder der |
61 | Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert |
62 | werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung |
63 | nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet |
64 | die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13 |
65 | Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox |
66 | erteilt werden kann. |
67 | |
68 | Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine |
69 | Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis der |
70 | entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der |
71 | Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden |
72 | Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung |
73 | zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die |
74 | spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich |
75 | hier neue Herausforderungen. |
76 | |
77 | Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt |
78 | sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der |
79 | Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang |
80 | Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung |
81 | einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck |
82 | gespeichert werden sollen. |
83 | |
84 | Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form |
85 | eingeholt werden („opt-in“ und „opt-out“ sowie |
86 | unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine |
87 | besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis |
88 | der in der Regel in juristischer Sprache formulierten |
89 | Textpassagen. Eine informierte Einwilligung auf Grund |
90 | dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte, |
91 | ist auf Grund der Art des Textes und der gegebenen |
92 | Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich. |
93 | Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative |
94 | Formen, Informationen verständlich bereitzustellen. |
95 | |
96 | Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte |
97 | Transparenz und ein Überblick über die erteilten |
98 | Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl |
99 | der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten. |
100 | Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von |
101 | der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber, |
102 | welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist |
103 | oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können |
104 | die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-, |
105 | Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend |
106 | geltend machen. Eine autonome Entscheidung über die |
107 | Preisgabe eigener Daten im Internet können Menschen dann |
108 | fällen, wenn sie Vor- und Nachteile ihrer Einwilligung |
109 | einschätzen und Handlungsalternativen erkennen können. Die |
110 | Medienkompetenz des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, |
111 | informierte Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. |
112 | Diese kann aber nicht in gleicher Ausprägung von allen |
113 | Personen erwartet werden und kann nicht als Ersatz für |
114 | bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz, |
115 | Information und Einwilligung stehen. |
116 | Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung |
117 | personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf der |
118 | Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den |
119 | verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen. |
120 | |
121 | Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre |
122 | zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben |
123 | bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden. |
124 | |
125 | |
126 | Erforderlichkeitsgrundsatz |
127 | |
128 | Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem |
129 | verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist |
130 | zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er |
131 | steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der |
132 | Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der Umgang |
133 | mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen des |
134 | angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu beschränken. |
135 | Es sollen nur so viele Daten erhoben, verarbeitet oder |
136 | genutzt werden, wie zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. |
137 | Für den öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis |
138 | 16 BDSG (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der |
139 | zulässige Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung |
140 | begrenzt ist. Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch |
141 | im nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive |
142 | Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung |
143 | bedingt ist. |
144 | |
145 | |
146 | Zweckbindungsgrundsatz |
147 | |
148 | Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für |
149 | einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu |
150 | diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Der |
151 | Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den weiteren |
152 | Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu dem Zweck |
153 | weiter verwendet werden, der von der Einwilligung oder der |
154 | konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. Das setzt |
155 | voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung und/oder |
156 | -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau wie möglich |
157 | bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für künftige, noch |
158 | nicht bekannte Zwecke ist dagegen grundsätzlich unzulässig. |
159 | Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die |
160 | Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In |
161 | einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch |
162 | Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige Festlegung |
163 | des Verarbeitungszweckes bestimmt. |
164 | |
165 | |
166 | Transparenzgrundsatz |
167 | |
168 | Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung |
169 | des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass Bürger wissen und |
170 | grundsätzlich auch entscheiden können sollen, „wer was wann |
171 | und bei welcher Gelegenheit“ über sie weiß. Das setzt |
172 | wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, -verarbeitungs- und |
173 | -nutzungsvorgänge transparent gestaltet werden. Zudem ist |
174 | der Transparenzgrundsatz die grundlegende Voraussetzung |
175 | dafür, dass Betroffene aktive Datenschutzrechte wahrnehmen |
176 | können. Transparenz wird in erster Linie durch den Grundsatz |
177 | der Direkterhebung verwirklicht, wonach die Daten |
178 | grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 |
179 | S. 1, Abs. 3 BDSG), sodass er unmittelbar Kenntnis von dem |
180 | Vorgang erlangt. Nur unter engen Voraussetzungen darf die |
181 | Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 |
182 | Abs. 2 S. 2 BDSG). Flankiert wird das Transparenzgebot durch |
183 | Auskunftsrechte und Informations-, Benachrichtigungs-, |
184 | Unterrichtungs-, Hinweis- und Aufklärungspflichten der |
185 | verantwortlichen Stelle. |
186 | |
187 | Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele |
188 | Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer |
189 | Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet. |
190 | |
191 | Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit |
192 | Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist – |
193 | obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG |
194 | normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten |
195 | wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen |
196 | und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel |
197 | auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine |
198 | Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf |
199 | technischer Ebene: Schon durch die entsprechende |
200 | Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle |
201 | Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. Da der |
202 | Grundsatz nicht sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als |
203 | Rechtspflicht formuliert – eher als Programmsatz zu |
204 | verstehen. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Erlaubnisvorbehalt |
2 | |
3 | |
4 | Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in |
5 | einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit |
6 | personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der |
7 | Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert ihn. |
8 | Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht (Art. 7 |
9 | DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 1 BDSG) |
10 | und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z. B. § 12 TMG) |
11 | normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit eines jeden |
12 | einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob der |
13 | Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf einen |
14 | gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. |
15 | |
16 | Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen |
17 | Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von |
18 | erheblicher Bedeutung. Sie legitimiert einen |
19 | Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam erteilt |
20 | wurde, wofür das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen |
21 | vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch Art. 7 lit. a) DSRL). |
22 | Nach nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur |
23 | wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des |
24 | Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt |
25 | voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner |
26 | Entscheidung erkennen kann. |
27 | |
28 | Die Einwilligung in die Datenerhebung oder –verarbeitung ist |
29 | daher nur dann zulässig, wenn die betreffende Person „ohne |
30 | jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies |
31 | impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und |
32 | freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung |
33 | setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die |
34 | Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung erteilt |
35 | werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von |
36 | Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung |
37 | nicht „privacy by default“ vorsehen, genügt nicht der |
38 | Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis |
39 | der möglichen Einstellungen und ihrer |
40 | Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder |
41 | bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen |
42 | Diensteanbietern gefördert wird. |
43 | An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es |
44 | jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation |
45 | wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung |
46 | erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige |
47 | Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe |
48 | seiner Daten verleitet wird. |
49 | Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner |
50 | unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird |
51 | diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die |
52 | Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben |
53 | werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst |
54 | nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber auch |
55 | von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in zumutbarer |
56 | Weise zur Verfügung steht. |
57 | |
58 | Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den |
59 | vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung |
60 | hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder der |
61 | Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert |
62 | werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung |
63 | nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet |
64 | die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13 |
65 | Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox |
66 | erteilt werden kann. |
67 | |
68 | Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine |
69 | Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis der |
70 | entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der |
71 | Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden |
72 | Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung |
73 | zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die |
74 | spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich |
75 | hier neue Herausforderungen. |
76 | |
77 | Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt |
78 | sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der |
79 | Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang |
80 | Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung |
81 | einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck |
82 | gespeichert werden sollen. |
83 | |
84 | Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form |
85 | eingeholt werden („opt-in“ und „opt-out“ sowie |
86 | unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine |
87 | besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis |
88 | der in der Regel in juristischer Sprache formulierten |
89 | Textpassagen. Eine informierte Einwilligung auf Grund |
90 | dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte, |
91 | ist auf Grund der Art des Textes und der gegebenen |
92 | Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich. |
93 | Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative |
94 | Formen, Informationen verständlich bereitzustellen. |
95 | |
96 | Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte |
97 | Transparenz und ein Überblick über die erteilten |
98 | Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl |
99 | der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten. |
100 | Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von |
101 | der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber, |
102 | welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist |
103 | oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können |
104 | die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-, |
105 | Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend |
106 | geltend machen. Eine autonome Entscheidung über die |
107 | Preisgabe eigener Daten im Internet können Menschen dann |
108 | fällen, wenn sie Vor- und Nachteile ihrer Einwilligung |
109 | einschätzen und Handlungsalternativen erkennen können. Die |
110 | Medienkompetenz des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, |
111 | informierte Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. |
112 | Diese kann aber nicht in gleicher Ausprägung von allen |
113 | Personen erwartet werden und kann nicht als Ersatz für |
114 | bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz, |
115 | Information und Einwilligung stehen. |
116 | Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung |
117 | personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf der |
118 | Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den |
119 | verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen. |
120 | |
121 | Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre |
122 | zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben |
123 | bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden. |
124 | |
125 | |
126 | Erforderlichkeitsgrundsatz |
127 | |
128 | Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem |
129 | verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist |
130 | zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er |
131 | steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der |
132 | Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der Umgang |
133 | mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen des |
134 | angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu beschränken. |
135 | Es sollen nur so viele Daten erhoben, verarbeitet oder |
136 | genutzt werden, wie zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. |
137 | Für den öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis |
138 | 16 BDSG (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der |
139 | zulässige Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung |
140 | begrenzt ist. Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch |
141 | im nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive |
142 | Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung |
143 | bedingt ist. |
144 | |
145 | |
146 | Zweckbindungsgrundsatz |
147 | |
148 | Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für |
149 | einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu |
150 | diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Der |
151 | Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den weiteren |
152 | Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu dem Zweck |
153 | weiter verwendet werden, der von der Einwilligung oder der |
154 | konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. Das setzt |
155 | voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung und/oder |
156 | -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau wie möglich |
157 | bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für künftige, noch |
158 | nicht bekannte Zwecke ist dagegen grundsätzlich unzulässig. |
159 | Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die |
160 | Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In |
161 | einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch |
162 | Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige Festlegung |
163 | des Verarbeitungszweckes bestimmt. |
164 | |
165 | |
166 | Transparenzgrundsatz |
167 | |
168 | Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung |
169 | des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass Bürger wissen und |
170 | grundsätzlich auch entscheiden können sollen, „wer was wann |
171 | und bei welcher Gelegenheit“ über sie weiß. Das setzt |
172 | wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, -verarbeitungs- und |
173 | -nutzungsvorgänge transparent gestaltet werden. Zudem ist |
174 | der Transparenzgrundsatz die grundlegende Voraussetzung |
175 | dafür, dass Betroffene aktive Datenschutzrechte wahrnehmen |
176 | können. Transparenz wird in erster Linie durch den Grundsatz |
177 | der Direkterhebung verwirklicht, wonach die Daten |
178 | grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 |
179 | S. 1, Abs. 3 BDSG), sodass er unmittelbar Kenntnis von dem |
180 | Vorgang erlangt. Nur unter engen Voraussetzungen darf die |
181 | Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 |
182 | Abs. 2 S. 2 BDSG). Flankiert wird das Transparenzgebot durch |
183 | Auskunftsrechte und Informations-, Benachrichtigungs-, |
184 | Unterrichtungs-, Hinweis- und Aufklärungspflichten der |
185 | verantwortlichen Stelle. |
186 | |
187 | Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele |
188 | Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer |
189 | Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet. |
190 | |
191 | Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit |
192 | Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist – |
193 | obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG |
194 | normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten |
195 | wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen |
196 | und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel |
197 | auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine |
198 | Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf |
199 | technischer Ebene: Schon durch die entsprechende |
200 | Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle |
201 | Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. Da der |
202 | Grundsatz nicht sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als |
203 | Rechtspflicht formuliert – eher als Programmsatz zu |
204 | verstehen. |
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