2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts

1-5 von 5
  • 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Erlaubnisvorbehalt
    2
    3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in
    4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit
    5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der
    6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert
    7 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht
    8 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs.
    9 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. §
    10 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit
    11 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob
    12 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf
    13 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt.
    14 [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130
    15 f.]
    16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen
    17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von
    18 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    19 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen
    20 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam
    21 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte
    22 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch
    23 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne
    24 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach
    25 nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur
    26 wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des
    27 Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt
    28 voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner
    29 Entscheidung erkennen kann.
    30
    31 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder
    32 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende
    33 Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat.
    34 Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv
    35 und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte
    36 Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein
    37 durch die Nutzung einer Website kann keine aktive
    38 Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von
    39 Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in
    40 der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen,
    41 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier
    42 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer
    43 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder
    44 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen
    45 Diensteanbietern gefördert wird.
    46
    47 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    48 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    49 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    50 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    51 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    52 seiner Daten verleitet wird.
    53
    54 -----------------------------------------------
    55 streitig Anfang
    56 -----------------------------------------------
    57
    58 Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    59 sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so
    60 insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw.
    61 Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als
    62 Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage
    63 dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt.
    64 Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen
    65 existiert keine Parität. So kann z.B. bei
    66 internetbasierten Dienste, die ohne die Einwilligung zur
    67 Preisgabe persönlicher Daten, die für die Erbringung des
    68 Dienstes selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen
    69 werden, von einer freiwilligen Einwilligung nicht
    70 ausgegangen werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch
    71 ohne Datenerhebung erhältlich ist.
    72
    73 -----------------------------------------------
    74 streitig Ende
    75 -----------------------------------------------
    76
    77 -----------------------------------------------
    78 Alternativvorschlag Anfang
    79 -----------------------------------------------
    80
    81 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    82 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    83 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    84 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    85 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    86 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    87 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    88 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    89
    90 -----------------------------------------------
    91 Alternativvorschlag Ende
    92 -----------------------------------------------
  • 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Erlaubnisvorbehalt
    2
    3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in
    4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit
    5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der
    6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert ihn.
    7 Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht (Art. 7
    8 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 1 BDSG)
    9 und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. § 12 TMG)
    10 normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit eines jeden
    11 einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob der
    12 Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf einen
    13 gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. [Fußnote:
    14 Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130 f.]
    15 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen
    16 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von
    17 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    18 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen
    19 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam erteilt
    20 wurde, wofür das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen
    21 vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch Art. 7 lit. a) DSRL
    22 wonach die betroffene Person „ohne jeden Zweifel ihre
    23 Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach nationalem Recht (§
    24 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der
    25 freien Entscheidung des Betroffenen beruht, also ohne Zwang
    26 erfolgt. Dies setzt voraus, dass der Einzelne Bedeutung und
    27 Tragweite seiner Entscheidung erkennen kann.
    28
    29 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder
    30 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende Person
    31 „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies
    32 impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und
    33 freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung
    34 setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die
    35 Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung erteilt
    36 werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von
    37 Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung
    38 nicht privacy by default vorsehen, genügt nicht der Fiktion
    39 einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis der
    40 möglichen Einstellungen und ihrer Veränderungsmöglichkeiten
    41 vorausgesetzt, die jedoch weder bei jedem Nutzer
    42 gleichermaßen gegeben noch von allen Diensteanbietern
    43 gefördert wird.
    44
    45 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    46 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    47 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    48 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    49 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    50 seiner Daten verleitet wird.
    51
    52 -----------------------------------------------
    53 Streitig Anfang
    54 -----------------------------------------------
    55
    56 Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    57 sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so
    58 insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw.
    59 Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als
    60 Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage
    61 dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt.
    62 Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen
    63 existiert keine Parität. So kann z.B. bei internetbasierten
    64 Dienste, die ohne die Einwilligung zur Preisgabe
    65 persönlicher Daten, die für die Erbringung des Dienstes
    66 selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen werden,
    67 von einer freiwilligen Einwilligung nicht ausgegangen
    68 werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch ohne
    69 Datenerhebung erhältlich ist.
    70
    71 -----------------------------------------------
    72 Streitig Ende
    73 -----------------------------------------------
    74
    75 -----------------------------------------------
    76 Alternative Anfang
    77 -----------------------------------------------
    78
    79 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    80 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    81 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    82 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    83 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    84 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber auch
    85 von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in zumutbarer
    86 Weise zur Verfügung steht.
    87
    88 -----------------------------------------------
    89 Alternative Ende
    90 -----------------------------------------------
  • 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Erlaubnisvorbehalt
    2
    3
    4 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in
    5 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit
    6 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der
    7 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert
    8 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht
    9 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs.
    10 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z. B. §
    11 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit
    12 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob
    13 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf
    14 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt.
    15
    16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen
    17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von
    18 erheblicher Bedeutung. Sie legitimiert einen
    19 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam
    20 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte
    21 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch
    22 Art. 7 lit. a) DSRL). Nach nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist
    23 eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien
    24 Entscheidung des Betroffenen beruht, also ohne Zwang
    25 erfolgt. Dies setzt voraus, dass der Einzelne Bedeutung und
    26 Tragweite seiner Entscheidung erkennen kann.
    27
    28 Die Einwilligung in die Datenerhebung oder –verarbeitung
    29 ist daher nur dann zulässig, wenn die betreffende Person
    30 „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies
    31 impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und
    32 freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung
    33 setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die
    34 Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung
    35 erteilt werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von
    36 Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung
    37 nicht „privacy by default“ vorsehen, genügt nicht der
    38 Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis
    39 der möglichen Einstellungen und ihrer
    40 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder
    41 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen
    42 Diensteanbietern gefördert wird.
    43 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    44 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    45 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    46 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    47 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    48 seiner Daten verleitet wird.
    49 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    50 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    51 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    52 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    53 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    54 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    55 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    56 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    57
    58 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den
    59 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
    60 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder
    61 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert
    62 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung
    63 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet
    64 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13
    65 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox
    66 erteilt werden kann.
    67
    68 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine
    69 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis
    70 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der
    71 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden
    72 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung
    73 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die
    74 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich
    75 hier neue Herausforderungen.
    76
    77 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt
    78 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der
    79 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang
    80 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung
    81 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck
    82 gespeichert werden sollen.
    83
    84 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form
    85 eingeholt werden („opt-in“ und „opt-out“ sowie
    86 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine
    87 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis
    88 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten
    89 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung auf Grund
    90 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,
    91 ist auf Grund der Art des Textes und der gegebenen
    92 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.
    93 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative
    94 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.
    95
    96 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte
    97 Transparenz und ein Überblick über die erteilten
    98 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl
    99 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.
    100 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von
    101 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,
    102 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist
    103 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können
    104 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,
    105 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend
    106 geltend machen. Eine autonome Entscheidung über die
    107 Preisgabe eigener Daten im Internet können Menschen dann
    108 fällen, wenn sie Vor- und Nachteile ihrer Einwilligung
    109 einschätzen und Handlungsalternativen erkennen können. Die
    110 Medienkompetenz des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei,
    111 informierte Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern.
    112 Diese kann aber nicht in gleicher Ausprägung von allen
    113 Personen erwartet werden und kann nicht als Ersatz für
    114 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,
    115 Information und Einwilligung stehen.
    116 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung
    117 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf der
    118 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den
    119 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.
    120
    121 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre
    122 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben
    123 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.
    124
    125
    126 Erforderlichkeitsgrundsatz
    127
    128 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem
    129 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
    130 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er
    131 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der
    132 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der
    133 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen
    134 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu
    135 beschränken. Es sollen nur so viele Daten erhoben,
    136 verarbeitet oder genutzt werden, wie zur Zweckerreichung
    137 unbedingt notwendig. Für den öffentlichen Bereich ist der
    138 Grundsatz in §§ 13 bis 16 BDSG (insbesondere in den Abs. 1)
    139 normiert, wobei der zulässige Zweck auf die öffentliche
    140 Aufgabenerfüllung begrenzt ist. Der
    141 Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im
    142 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive
    143 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung
    144 bedingt ist.
    145
    146
    147 Zweckbindungsgrundsatz
    148
    149 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für
    150 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu
    151 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Der
    152 Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den weiteren
    153 Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu dem Zweck
    154 weiter verwendet werden, der von der Einwilligung oder der
    155 konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. Das setzt
    156 voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung und/oder
    157 -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau wie möglich
    158 bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für künftige,
    159 noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen grundsätzlich
    160 unzulässig.
    161 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die
    162 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In
    163 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch
    164 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige
    165 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt.
    166
    167
    168 Transparenzgrundsatz
    169
    170 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung
    171 des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass Bürger wissen
    172 und grundsätzlich auch entscheiden können sollen, „wer was
    173 wann und bei welcher Gelegenheit“ über sie weiß. Das setzt
    174 wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, -verarbeitungs- und
    175 -nutzungsvorgänge transparent gestaltet werden. Zudem ist
    176 der Transparenzgrundsatz die grundlegende Voraussetzung
    177 dafür, dass Betroffene aktive Datenschutzrechte wahrnehmen
    178 können. Transparenz wird in erster Linie durch den
    179 Grundsatz der Direkterhebung verwirklicht, wonach die Daten
    180 grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2
    181 S. 1, Abs. 3 BDSG), sodass er unmittelbar Kenntnis von dem
    182 Vorgang erlangt. Nur unter engen Voraussetzungen darf die
    183 Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4
    184 Abs. 2 S. 2 BDSG). Flankiert wird das Transparenzgebot
    185 durch Auskunftsrechte und Informations-,
    186 Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-, Hinweis- und
    187 Aufklärungspflichten der verantwortlichen Stelle.
    188
    189 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele
    190 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer
    191 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.
    192
    193 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
    194 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist
    195 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG
    196 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten
    197 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen
    198 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel
    199 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine
    200 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf
    201 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende
    202 Technikgestaltung soll das Gesetz bestimmte
    203 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch
    204 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne
    205 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach
    206 nationalem Recht auf informationelle Selbstbestimmung
    207 präventiv geschützt werden. Da der Grundsatz nicht
    208 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht
    209 formuliert – eher als Programmsatz zu geschehen hat. Eine
    210 informierte Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis
    211 voraus. Allein durch die Nutzung einer Website kann keine
    212 aktive Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten
    213 von Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die
    214 in der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen,
    215 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier
    216 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer
    217 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder
    218 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen
    219 Diensteanbietern gefördert wird.
    220
    221 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    222 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    223 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    224 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    225 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    226 seiner Daten verleitet wird.
    227
    228 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    229 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    230 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    231 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    232 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    233 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    234 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    235 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    236
    237 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den
    238 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
    239 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder
    240 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert
    241 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung
    242 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet
    243 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13
    244 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox
    245 erteilt werden kann.
    246
    247 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine
    248 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis
    249 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der
    250 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden
    251 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung
    252 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die
    253 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich
    254 hier neue Herausforderungen.
    255
    256 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt
    257 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der
    258 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang
    259 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung
    260 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck
    261 gespeichert werden sollen.
    262
    263 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form
    264 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie
    265 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine
    266 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,
    267 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten
    268 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund
    269 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,
    270 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen
    271 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.
    272 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative
    273 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.
    274
    275 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte
    276 Transparenz und ein Überblick über die erteilten
    277 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl
    278 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.
    279 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von
    280 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,
    281 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist
    282 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können
    283 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,
    284 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend
    285 geltend machen.
    286
    287 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten
    288 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und
    289 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und
    290 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz
    291 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte
    292 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann
    293 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen
    294 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für
    295 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,
    296 Information und Einwilligung stehen.
    297
    298 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung
    299 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf
    300 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den
    301 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.
    302
    303 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre
    304 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben
    305 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.
    306
    307 Erforderlichkeitsgrundsatz
    308
    309 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem
    310 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
    311 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er
    312 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der
    313 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der
    314 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen
    315 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu
    316 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so
    317 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie
    318 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den
    319 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16
    320 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige
    321 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.
    322 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im
    323 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive
    324 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung
    325 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    326 Datenschutzrecht, S. 136.]
    327
    328 Zweckbindungsgrundsatz
    329
    330 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für
    331 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu
    332 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.
    333 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.
    334 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den
    335 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu
    336 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung
    337 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.
    338 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung
    339 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau
    340 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für
    341 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen
    342 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge
    343 des Datenschutzrechts, S. 48.]
    344
    345 -----------------------------------------------
    346 streitig Anfang
    347 -----------------------------------------------
    348
    349 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die
    350 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In
    351 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch
    352 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige
    353 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:
    354 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]
    355
    356 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der
    357 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die
    358 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer
    359 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten
    360 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite
    361 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die
    362 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.
    363 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere
    364 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur
    365 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel
    366 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht
    367 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte
    368 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen
    369 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen
    370 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden
    371 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht
    372 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr
    373 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten
    374 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der
    375 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest
    376 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am
    377 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet
    378 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten
    379 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus
    380 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne
    381 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man
    382 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des
    383 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen
    384 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter
    385 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen
    386 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern
    387 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,
    388 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu
    389 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in
    390 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu
    391 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße
    392 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und
    393 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist
    394 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden
    395 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter
    396 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu
    397 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den
    398 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,
    399 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes
    400 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die
    401 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen
    402 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen
    403 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,
    404 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im
    405 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.
    406
    407 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise
    408 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem
    409 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen
    410 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,
    411 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten
    412 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.
    413 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete
    414 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für
    415 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch
    416 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“
    417 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten
    418 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert
    419 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener
    420 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene
    421 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und
    422 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen
    423 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher
    424 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies
    425 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter
    426 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,
    427 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine
    428 Zustimmung erneut abgeben müsste.
    429
    430 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    431 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam
    432 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig
    433 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen
    434 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass
    435 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention
    436 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger
    437 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung
    438 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung
    439 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen
    440 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn
    441 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene
    442 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz
    443 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die
    444 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht
    445 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu
    446 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität
    447 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils
    448 schwächeren Partei wirksam schützt.
    449
    450 -----------------------------------------------
    451 streitig Ende
    452 -----------------------------------------------
    453
    454 Transparenzgrundsatz
    455
    456 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung
    457 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich
    458 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei
    459 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,
    460 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,
    461 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet
    462 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende
    463 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive
    464 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in
    465 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung
    466 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim
    467 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),
    468 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.
    469 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne
    470 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).
    471 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte
    472 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,
    473 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen
    474 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    475 Datenschutzrecht, S. 136.]
    476
    477 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele
    478 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer
    479 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.
    480
    481 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
    482
    483 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist
    484 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG
    485 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten
    486 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen
    487 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel
    488 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine
    489 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf
    490 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende
    491 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle
    492 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:
    493 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht
    494 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht
    495 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen.
    496
  • 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Erlaubnisvorbehalt
    2
    3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in
    4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit
    5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der
    6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert
    7 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht
    8 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs.
    9 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. §
    10 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit
    11 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob
    12 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf
    13 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt.
    14 [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130
    15 f.]
    16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen
    17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von
    18 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    19 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen
    20 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam
    21 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte
    22 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch
    23 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne
    24 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach
    25 nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur
    26 wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des
    27 Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt
    28 voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner
    29 Entscheidung erkennen kann.
    30
    31 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder
    32 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende
    33 Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat.
    34 Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv
    35 und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte
    36 Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein
    37 durch die Nutzung einer Website kann keine aktive
    38 Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von
    39 Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in
    40 der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen,
    41 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier
    42 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer
    43 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder
    44 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen
    45 Diensteanbietern gefördert wird.
    46
    47 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    48 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    49 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    50 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    51 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    52 seiner Daten verleitet wird.
    53
    54 -----------------------------------------------
    55 streitig Anfang
    56 -----------------------------------------------
    57
    58 Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    59 sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so
    60 insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw.
    61 Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als
    62 Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage
    63 dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt.
    64 Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen
    65 existiert keine Parität. So kann z.B. bei
    66 internetbasierten Dienste, die ohne die Einwilligung zur
    67 Preisgabe persönlicher Daten, die für die Erbringung des
    68 Dienstes selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen
    69 werden, von einer freiwilligen Einwilligung nicht
    70 ausgegangen werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch
    71 ohne Datenerhebung erhältlich ist.
    72
    73 -----------------------------------------------
    74 streitig Ende
    75 -----------------------------------------------
    76
    77 -----------------------------------------------
    78 Alternativvorschlag Anfang
    79 -----------------------------------------------
    80
    81 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    82 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    83 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    84 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    85 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    86 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    87 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    88 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    89
    90 -----------------------------------------------
    91 Alternativvorschlag Ende
    92 -----------------------------------------------
    93
    94 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den
    95 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
    96 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder
    97 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert
    98 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung
    99 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet
    100 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13
    101 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox
    102 erteilt werden kann.
    103
    104 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine
    105 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis
    106 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der
    107 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden
    108 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung
    109 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die
    110 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich
    111 hier neue Herausforderungen.
    112
    113 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt
    114 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der
    115 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang
    116 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung
    117 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck
    118 gespeichert werden sollen.
    119
    120 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form
    121 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie
    122 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine
    123 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,
    124 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten
    125 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund
    126 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,
    127 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen
    128 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.
    129 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative
    130 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.
    131
    132 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte
    133 Transparenz und ein Überblick über die erteilten
    134 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl
    135 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.
    136 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von
    137 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,
    138 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist
    139 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können
    140 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,
    141 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend
    142 geltend machen.
    143
    144 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten
    145 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und
    146 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und
    147 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz
    148 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte
    149 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann
    150 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen
    151 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für
    152 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,
    153 Information und Einwilligung stehen.
    154
    155 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung
    156 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf
    157 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den
    158 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.
    159
    160 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre
    161 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben
    162 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.
    163
    164 Erforderlichkeitsgrundsatz
    165
    166 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem
    167 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
    168 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er
    169 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der
    170 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der
    171 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen
    172 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu
    173 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so
    174 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie
    175 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den
    176 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16
    177 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige
    178 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.
    179 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im
    180 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive
    181 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung
    182 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    183 Datenschutzrecht, S. 136.]
    184
    185 Zweckbindungsgrundsatz
    186
    187 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für
    188 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu
    189 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.
    190 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.
    191 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den
    192 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu
    193 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung
    194 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.
    195 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung
    196 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau
    197 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für
    198 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen
    199 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge
    200 des Datenschutzrechts, S. 48.]
    201
    202 -----------------------------------------------
    203 streitig Anfang
    204 -----------------------------------------------
    205
    206 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die
    207 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In
    208 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch
    209 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige
    210 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:
    211 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]
    212
    213 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der
    214 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die
    215 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer
    216 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten
    217 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite
    218 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die
    219 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.
    220 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere
    221 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur
    222 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel
    223 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht
    224 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte
    225 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen
    226 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen
    227 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden
    228 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht
    229 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr
    230 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten
    231 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der
    232 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest
    233 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am
    234 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet
    235 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten
    236 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus
    237 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne
    238 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man
    239 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des
    240 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen
    241 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter
    242 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen
    243 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern
    244 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,
    245 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu
    246 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in
    247 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu
    248 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße
    249 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und
    250 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist
    251 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden
    252 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter
    253 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu
    254 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den
    255 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,
    256 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes
    257 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die
    258 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen
    259 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen
    260 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,
    261 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im
    262 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.
    263
    264 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise
    265 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem
    266 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen
    267 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,
    268 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten
    269 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.
    270 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete
    271 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für
    272 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch
    273 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“
    274 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten
    275 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert
    276 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener
    277 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene
    278 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und
    279 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen
    280 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher
    281 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies
    282 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter
    283 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,
    284 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine
    285 Zustimmung erneut abgeben müsste.
    286
    287 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    288 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam
    289 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig
    290 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen
    291 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass
    292 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention
    293 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger
    294 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung
    295 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung
    296 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen
    297 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn
    298 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene
    299 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz
    300 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die
    301 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht
    302 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu
    303 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität
    304 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils
    305 schwächeren Partei wirksam schützt.
    306
    307 -----------------------------------------------
    308 streitig Ende
    309 -----------------------------------------------
    310
    311 Transparenzgrundsatz
    312
    313 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung
    314 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich
    315 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei
    316 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,
    317 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,
    318 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet
    319 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende
    320 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive
    321 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in
    322 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung
    323 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim
    324 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),
    325 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.
    326 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne
    327 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).
    328 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte
    329 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,
    330 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen
    331 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    332 Datenschutzrecht, S. 136.]
    333
    334 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele
    335 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer
    336 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.
    337
    338 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
    339
    340 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist
    341 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG
    342 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten
    343 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen
    344 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel
    345 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine
    346 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf
    347 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende
    348 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle
    349 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:
    350 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht
    351 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht
    352 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote:
    353 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.]
    354
    355 -----------------------------------------------
    356 streitig Anfang
    357 -----------------------------------------------
    358
    359 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte
    360 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen
    361 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass
    362 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen
    363 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur
    364 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei
    365 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen
    366 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten
    367 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu
    368 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“
    369 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers,
    370 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist
    371 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei
    372 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst
    373 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen
    374 greifen.
    375
    376 -----------------------------------------------
    377 streitig Ende
    378 -----------------------------------------------
    379
  • 2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Erlaubnisvorbehalt
    2
    3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in
    4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit
    5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der
    6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert
    7 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht
    8 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs.
    9 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. §
    10 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit
    11 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob
    12 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf
    13 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt.
    14 [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130
    15 f.]
    16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen
    17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von
    18 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    19 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen
    20 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam
    21 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte
    22 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch
    23 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne
    24 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach
    25 nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur
    26 wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des
    27 Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt
    28 voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner
    29 Entscheidung erkennen kann.
    30
    31 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder
    32 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende
    33 Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat.
    34 Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv
    35 und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte
    36 Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein
    37 durch die Nutzung einer Website kann keine aktive
    38 Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von
    39 Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in
    40 der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen,
    41 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier
    42 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer
    43 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder
    44 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen
    45 Diensteanbietern gefördert wird.
    46
    47 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es
    48 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation
    49 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung
    50 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige
    51 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe
    52 seiner Daten verleitet wird.
    53
    54 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    55 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    56 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    57 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    58 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    59 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    60 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    61 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    62
    63 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den
    64 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
    65 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder
    66 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert
    67 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung
    68 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet
    69 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13
    70 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox
    71 erteilt werden kann.
    72
    73 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine
    74 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis
    75 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der
    76 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden
    77 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung
    78 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die
    79 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich
    80 hier neue Herausforderungen.
    81
    82 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt
    83 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der
    84 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang
    85 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung
    86 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck
    87 gespeichert werden sollen.
    88
    89 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form
    90 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie
    91 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine
    92 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,
    93 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten
    94 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund
    95 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,
    96 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen
    97 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.
    98 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative
    99 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.
    100
    101 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte
    102 Transparenz und ein Überblick über die erteilten
    103 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl
    104 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.
    105 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von
    106 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,
    107 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist
    108 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können
    109 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,
    110 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend
    111 geltend machen.
    112
    113 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten
    114 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und
    115 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und
    116 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz
    117 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte
    118 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann
    119 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen
    120 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für
    121 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,
    122 Information und Einwilligung stehen.
    123
    124 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung
    125 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf
    126 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den
    127 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.
    128
    129 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre
    130 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben
    131 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.
    132
    133 Erforderlichkeitsgrundsatz
    134
    135 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem
    136 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
    137 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er
    138 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der
    139 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der
    140 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen
    141 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu
    142 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so
    143 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie
    144 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den
    145 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16
    146 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige
    147 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.
    148 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im
    149 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive
    150 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung
    151 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    152 Datenschutzrecht, S. 136.]
    153
    154 Zweckbindungsgrundsatz
    155
    156 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für
    157 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu
    158 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.
    159 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.
    160 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den
    161 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu
    162 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung
    163 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.
    164 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung
    165 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau
    166 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für
    167 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen
    168 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge
    169 des Datenschutzrechts, S. 48.]
    170
    171 -----------------------------------------------
    172 streitig Anfang
    173 -----------------------------------------------
    174
    175 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die
    176 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In
    177 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch
    178 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige
    179 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:
    180 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]
    181
    182 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der
    183 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die
    184 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer
    185 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten
    186 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite
    187 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die
    188 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.
    189 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere
    190 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur
    191 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel
    192 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht
    193 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte
    194 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen
    195 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen
    196 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden
    197 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht
    198 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr
    199 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten
    200 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der
    201 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest
    202 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am
    203 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet
    204 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten
    205 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus
    206 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne
    207 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man
    208 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des
    209 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen
    210 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter
    211 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen
    212 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern
    213 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,
    214 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu
    215 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in
    216 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu
    217 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße
    218 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und
    219 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist
    220 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden
    221 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter
    222 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu
    223 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den
    224 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,
    225 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes
    226 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die
    227 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen
    228 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen
    229 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,
    230 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im
    231 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.
    232
    233 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise
    234 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem
    235 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen
    236 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,
    237 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten
    238 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.
    239 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete
    240 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für
    241 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch
    242 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“
    243 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten
    244 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert
    245 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener
    246 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene
    247 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und
    248 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen
    249 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher
    250 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies
    251 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter
    252 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,
    253 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine
    254 Zustimmung erneut abgeben müsste.
    255
    256 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    257 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam
    258 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig
    259 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen
    260 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass
    261 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention
    262 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger
    263 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung
    264 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung
    265 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen
    266 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn
    267 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene
    268 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz
    269 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die
    270 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht
    271 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu
    272 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität
    273 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils
    274 schwächeren Partei wirksam schützt.
    275
    276 -----------------------------------------------
    277 streitig Ende
    278 -----------------------------------------------
    279
    280 Transparenzgrundsatz
    281
    282 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung
    283 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich
    284 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei
    285 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,
    286 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,
    287 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet
    288 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende
    289 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive
    290 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in
    291 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung
    292 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim
    293 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),
    294 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.
    295 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne
    296 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).
    297 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte
    298 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,
    299 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen
    300 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    301 Datenschutzrecht, S. 136.]
    302
    303 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele
    304 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer
    305 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.
    306
    307 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
    308
    309 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist
    310 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG
    311 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten
    312 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen
    313 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel
    314 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine
    315 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf
    316 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende
    317 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle
    318 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:
    319 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht
    320 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht
    321 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote:
    322 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.]
    323
    324 -----------------------------------------------
    325 streitig Anfang
    326 -----------------------------------------------
    327
    328 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte
    329 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen
    330 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass
    331 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen
    332 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur
    333 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei
    334 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen
    335 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten
    336 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu
    337 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“
    338 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers,
    339 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist
    340 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei
    341 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst
    342 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen
    343 greifen.
    344
    345 -----------------------------------------------
    346 streitig Ende
    347 -----------------------------------------------
    348
    349 -----------------------------------------------
    350 Alternativvorschlag Anfang
    351 -----------------------------------------------
    352
    353 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner
    354 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird
    355 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die
    356 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben
    357 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst
    358 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber
    359 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in
    360 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.
    361
    362 -----------------------------------------------
    363 Alternativvorschlag Ende
    364 -----------------------------------------------
    365
    366 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den
    367 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung
    368 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder
    369 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert
    370 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung
    371 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet
    372 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13
    373 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox
    374 erteilt werden kann.
    375
    376 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine
    377 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis
    378 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der
    379 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden
    380 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung
    381 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die
    382 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich
    383 hier neue Herausforderungen.
    384
    385 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt
    386 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der
    387 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang
    388 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung
    389 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck
    390 gespeichert werden sollen.
    391
    392 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form
    393 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie
    394 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine
    395 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,
    396 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten
    397 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund
    398 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,
    399 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen
    400 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.
    401 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative
    402 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.
    403
    404 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte
    405 Transparenz und ein Überblick über die erteilten
    406 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl
    407 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.
    408 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von
    409 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,
    410 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist
    411 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können
    412 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,
    413 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend
    414 geltend machen.
    415
    416 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten
    417 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und
    418 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und
    419 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz
    420 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte
    421 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann
    422 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen
    423 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für
    424 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,
    425 Information und Einwilligung stehen.
    426
    427 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung
    428 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf
    429 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den
    430 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.
    431
    432 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre
    433 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben
    434 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.
    435
    436 Erforderlichkeitsgrundsatz
    437
    438 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem
    439 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
    440 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er
    441 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der
    442 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der
    443 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen
    444 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu
    445 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so
    446 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie
    447 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den
    448 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16
    449 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige
    450 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.
    451 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im
    452 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive
    453 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung
    454 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    455 Datenschutzrecht, S. 136.]
    456
    457 Zweckbindungsgrundsatz
    458
    459 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für
    460 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu
    461 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.
    462 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.
    463 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den
    464 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu
    465 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung
    466 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.
    467 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung
    468 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau
    469 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für
    470 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen
    471 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge
    472 des Datenschutzrechts, S. 48.]
    473
    474 -----------------------------------------------
    475 streitig Anfang
    476 -----------------------------------------------
    477
    478 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die
    479 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In
    480 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch
    481 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige
    482 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:
    483 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]
    484
    485 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der
    486 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die
    487 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer
    488 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten
    489 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite
    490 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die
    491 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.
    492 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere
    493 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur
    494 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel
    495 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht
    496 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte
    497 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen
    498 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen
    499 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden
    500 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht
    501 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr
    502 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten
    503 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der
    504 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest
    505 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am
    506 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet
    507 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten
    508 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus
    509 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne
    510 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man
    511 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des
    512 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen
    513 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter
    514 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen
    515 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern
    516 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,
    517 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu
    518 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in
    519 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu
    520 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße
    521 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und
    522 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist
    523 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden
    524 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter
    525 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu
    526 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den
    527 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,
    528 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes
    529 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die
    530 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen
    531 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen
    532 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,
    533 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im
    534 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.
    535
    536 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise
    537 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem
    538 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen
    539 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,
    540 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten
    541 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.
    542 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete
    543 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für
    544 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch
    545 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“
    546 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten
    547 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert
    548 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener
    549 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene
    550 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und
    551 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen
    552 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher
    553 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies
    554 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter
    555 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,
    556 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine
    557 Zustimmung erneut abgeben müsste.
    558
    559 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,
    560 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam
    561 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig
    562 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen
    563 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass
    564 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention
    565 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger
    566 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung
    567 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung
    568 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen
    569 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn
    570 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene
    571 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz
    572 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die
    573 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht
    574 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu
    575 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität
    576 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils
    577 schwächeren Partei wirksam schützt.
    578
    579 -----------------------------------------------
    580 streitig Ende
    581 -----------------------------------------------
    582
    583 Transparenzgrundsatz
    584
    585 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung
    586 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich
    587 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei
    588 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,
    589 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,
    590 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet
    591 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende
    592 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive
    593 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in
    594 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung
    595 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim
    596 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),
    597 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.
    598 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne
    599 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).
    600 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte
    601 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,
    602 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen
    603 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,
    604 Datenschutzrecht, S. 136.]
    605
    606 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele
    607 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer
    608 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.
    609
    610 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit
    611
    612 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist
    613 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG
    614 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten
    615 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen
    616 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel
    617 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine
    618 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf
    619 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende
    620 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle
    621 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:
    622 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht
    623 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht
    624 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote:
    625 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.]
    626
    627 -----------------------------------------------
    628 streitig Anfang
    629 -----------------------------------------------
    630
    631 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte
    632 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen
    633 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass
    634 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen
    635 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur
    636 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei
    637 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen
    638 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten
    639 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu
    640 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“
    641 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers,
    642 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist
    643 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei
    644 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst
    645 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen
    646 greifen.
    647
    648 -----------------------------------------------
    649 streitig Ende
    650 -----------------------------------------------
    651