1 | Erlaubnisvorbehalt |
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3 | Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in |
4 | einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit |
5 | personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der |
6 | Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert |
7 | ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht |
8 | (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. |
9 | 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. § |
10 | 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit |
11 | eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob |
12 | der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf |
13 | einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. |
14 | [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130 |
15 | f.] |
16 | Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen |
17 | Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von |
18 | erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, |
19 | Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen |
20 | Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam |
21 | erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte |
22 | Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch |
23 | Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne |
24 | jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach |
25 | nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur |
26 | wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des |
27 | Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt |
28 | voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner |
29 | Entscheidung erkennen kann. |
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31 | Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder |
32 | –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende |
33 | Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. |
34 | Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv |
35 | und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte |
36 | Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein |
37 | durch die Nutzung einer Website kann keine aktive |
38 | Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von |
39 | Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in |
40 | der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen, |
41 | genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier |
42 | wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer |
43 | Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder |
44 | bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen |
45 | Diensteanbietern gefördert wird. |
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47 | An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es |
48 | jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation |
49 | wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung |
50 | erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige |
51 | Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe |
52 | seiner Daten verleitet wird. |
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58 | Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt, |
59 | sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so |
60 | insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw. |
61 | Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als |
62 | Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage |
63 | dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt. |
64 | Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen |
65 | existiert keine Parität. So kann z.B. bei |
66 | internetbasierten Dienste, die ohne die Einwilligung zur |
67 | Preisgabe persönlicher Daten, die für die Erbringung des |
68 | Dienstes selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen |
69 | werden, von einer freiwilligen Einwilligung nicht |
70 | ausgegangen werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch |
71 | ohne Datenerhebung erhältlich ist. |
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81 | Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner |
82 | unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird |
83 | diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die |
84 | Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben |
85 | werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst |
86 | nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber |
87 | auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in |
88 | zumutbarer Weise zur Verfügung steht. |
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2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt -
2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Erlaubnisvorbehalt 2 3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in 4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit 5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der 6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert ihn. 7 Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht (Art. 7 8 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 1 BDSG) 9 und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. § 12 TMG) 10 normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit eines jeden 11 einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob der 12 Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf einen 13 gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. [Fußnote: 14 Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130 f.] 15 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen 16 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von 17 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 18 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen 19 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam erteilt 20 wurde, wofür das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen 21 vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch Art. 7 lit. a) DSRL 22 wonach die betroffene Person „ohne jeden Zweifel ihre 23 Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach nationalem Recht (§ 24 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der 25 freien Entscheidung des Betroffenen beruht, also ohne Zwang 26 erfolgt. Dies setzt voraus, dass der Einzelne Bedeutung und 27 Tragweite seiner Entscheidung erkennen kann. 28 29 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder 30 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende Person 31 „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies 32 impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und 33 freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung 34 setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die 35 Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung erteilt 36 werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von 37 Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung 38 nicht privacy by default vorsehen, genügt nicht der Fiktion 39 einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis der 40 möglichen Einstellungen und ihrer Veränderungsmöglichkeiten 41 vorausgesetzt, die jedoch weder bei jedem Nutzer 42 gleichermaßen gegeben noch von allen Diensteanbietern 43 gefördert wird. 44 45 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es 46 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation 47 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung 48 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige 49 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe 50 seiner Daten verleitet wird. 51 52 ----------------------------------------------- 53 Streitig Anfang 54 ----------------------------------------------- 55 56 Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt, 57 sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so 58 insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw. 59 Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als 60 Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage 61 dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt. 62 Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen 63 existiert keine Parität. So kann z.B. bei internetbasierten 64 Dienste, die ohne die Einwilligung zur Preisgabe 65 persönlicher Daten, die für die Erbringung des Dienstes 66 selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen werden, 67 von einer freiwilligen Einwilligung nicht ausgegangen 68 werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch ohne 69 Datenerhebung erhältlich ist. 70 71 ----------------------------------------------- 72 Streitig Ende 73 ----------------------------------------------- 74 75 ----------------------------------------------- 76 Alternative Anfang 77 ----------------------------------------------- 78 79 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner 80 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird 81 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die 82 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben 83 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst 84 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber auch 85 von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in zumutbarer 86 Weise zur Verfügung steht. 87 88 ----------------------------------------------- 89 Alternative Ende 90 ----------------------------------------------- -
2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Erlaubnisvorbehalt 2 3 4 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in 5 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit 6 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der 7 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert 8 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht 9 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 10 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z. B. § 11 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit 12 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob 13 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf 14 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. 15 16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen 17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von 18 erheblicher Bedeutung. Sie legitimiert einen 19 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam 20 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte 21 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch 22 Art. 7 lit. a) DSRL). Nach nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist 23 eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien 24 Entscheidung des Betroffenen beruht, also ohne Zwang 25 erfolgt. Dies setzt voraus, dass der Einzelne Bedeutung und 26 Tragweite seiner Entscheidung erkennen kann. 27 28 Die Einwilligung in die Datenerhebung oder –verarbeitung 29 ist daher nur dann zulässig, wenn die betreffende Person 30 „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. Dies 31 impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv und 32 freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte Einwilligung 33 setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein durch die 34 Nutzung einer Website kann keine aktive Einwilligung 35 erteilt werden. Auch das Beibehalten von Einstellungen von 36 Internetdiensten oder Browsern, die in der Voreinstellung 37 nicht „privacy by default“ vorsehen, genügt nicht der 38 Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier wird die Kenntnis 39 der möglichen Einstellungen und ihrer 40 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder 41 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen 42 Diensteanbietern gefördert wird. 43 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es 44 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation 45 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung 46 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige 47 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe 48 seiner Daten verleitet wird. 49 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner 50 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird 51 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die 52 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben 53 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst 54 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber 55 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in 56 zumutbarer Weise zur Verfügung steht. 57 58 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den 59 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung 60 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder 61 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert 62 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung 63 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet 64 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13 65 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox 66 erteilt werden kann. 67 68 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine 69 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis 70 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der 71 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden 72 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung 73 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die 74 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich 75 hier neue Herausforderungen. 76 77 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt 78 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der 79 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang 80 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung 81 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck 82 gespeichert werden sollen. 83 84 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form 85 eingeholt werden („opt-in“ und „opt-out“ sowie 86 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine 87 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis 88 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten 89 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung auf Grund 90 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte, 91 ist auf Grund der Art des Textes und der gegebenen 92 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich. 93 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative 94 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen. 95 96 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte 97 Transparenz und ein Überblick über die erteilten 98 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl 99 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten. 100 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von 101 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber, 102 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist 103 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können 104 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-, 105 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend 106 geltend machen. Eine autonome Entscheidung über die 107 Preisgabe eigener Daten im Internet können Menschen dann 108 fällen, wenn sie Vor- und Nachteile ihrer Einwilligung 109 einschätzen und Handlungsalternativen erkennen können. Die 110 Medienkompetenz des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, 111 informierte Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. 112 Diese kann aber nicht in gleicher Ausprägung von allen 113 Personen erwartet werden und kann nicht als Ersatz für 114 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz, 115 Information und Einwilligung stehen. 116 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung 117 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf der 118 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den 119 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen. 120 121 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre 122 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben 123 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden. 124 125 126 Erforderlichkeitsgrundsatz 127 128 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem 129 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und 130 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er 131 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der 132 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der 133 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen 134 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu 135 beschränken. Es sollen nur so viele Daten erhoben, 136 verarbeitet oder genutzt werden, wie zur Zweckerreichung 137 unbedingt notwendig. Für den öffentlichen Bereich ist der 138 Grundsatz in §§ 13 bis 16 BDSG (insbesondere in den Abs. 1) 139 normiert, wobei der zulässige Zweck auf die öffentliche 140 Aufgabenerfüllung begrenzt ist. Der 141 Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im 142 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive 143 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung 144 bedingt ist. 145 146 147 Zweckbindungsgrundsatz 148 149 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für 150 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu 151 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Der 152 Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den weiteren 153 Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu dem Zweck 154 weiter verwendet werden, der von der Einwilligung oder der 155 konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. Das setzt 156 voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung und/oder 157 -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau wie möglich 158 bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für künftige, 159 noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen grundsätzlich 160 unzulässig. 161 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die 162 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In 163 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch 164 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige 165 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. 166 167 168 Transparenzgrundsatz 169 170 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung 171 des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass Bürger wissen 172 und grundsätzlich auch entscheiden können sollen, „wer was 173 wann und bei welcher Gelegenheit“ über sie weiß. Das setzt 174 wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, -verarbeitungs- und 175 -nutzungsvorgänge transparent gestaltet werden. Zudem ist 176 der Transparenzgrundsatz die grundlegende Voraussetzung 177 dafür, dass Betroffene aktive Datenschutzrechte wahrnehmen 178 können. Transparenz wird in erster Linie durch den 179 Grundsatz der Direkterhebung verwirklicht, wonach die Daten 180 grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 181 S. 1, Abs. 3 BDSG), sodass er unmittelbar Kenntnis von dem 182 Vorgang erlangt. Nur unter engen Voraussetzungen darf die 183 Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 184 Abs. 2 S. 2 BDSG). Flankiert wird das Transparenzgebot 185 durch Auskunftsrechte und Informations-, 186 Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-, Hinweis- und 187 Aufklärungspflichten der verantwortlichen Stelle. 188 189 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele 190 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer 191 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet. 192 193 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit 194 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist 195 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG 196 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten 197 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen 198 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel 199 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine 200 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf 201 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende 202 Technikgestaltung soll das Gesetz bestimmte203 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch204 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne205 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach206 nationalemRecht auf informationelle Selbstbestimmung207 präventiv geschützt werden. Da der Grundsatz nicht 208 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht 209 formuliert – eher als Programmsatz zu geschehen hat. Eine210 informierte Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis211 voraus. Allein durch die Nutzung einer Website kann keine212 aktive Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten213 von Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die214 in der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen,215 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier216 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer217 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder218 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen219 Diensteanbietern gefördert wird.220 221 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es222 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation223 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung224 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige225 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe226 seiner Daten verleitet wird.227 228 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner229 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird230 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die231 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben232 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst233 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber234 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in235 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.236 237 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den238 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung239 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder240 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert241 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung242 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet243 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13244 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox245 erteilt werden kann.246 247 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine248 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis249 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der250 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden251 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung252 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die253 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich254 hier neue Herausforderungen.255 256 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt257 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der258 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang259 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung260 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck261 gespeichert werden sollen.262 263 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form264 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie265 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine266 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,267 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten268 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund269 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,270 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen271 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.272 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative273 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.274 275 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte276 Transparenz und ein Überblick über die erteilten277 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl278 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.279 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von280 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,281 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist282 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können283 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,284 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend285 geltend machen.286 287 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten288 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und289 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und290 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz291 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte292 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann293 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen294 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für295 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,296 Information und Einwilligung stehen.297 298 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung299 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf300 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den301 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.302 303 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre304 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben305 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.306 307 Erforderlichkeitsgrundsatz308 309 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem310 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und311 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er312 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der313 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der314 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen315 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu316 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so317 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie318 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den319 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16320 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige321 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.322 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im323 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive324 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung325 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,326 Datenschutzrecht, S. 136.]327 328 Zweckbindungsgrundsatz329 330 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für331 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu332 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.333 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.334 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den335 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu336 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung337 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.338 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung339 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau340 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für341 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen342 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge343 des Datenschutzrechts, S. 48.]344 345 -----------------------------------------------346 streitig Anfang347 -----------------------------------------------348 349 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die350 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In351 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch352 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige353 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:354 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]355 356 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der357 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die358 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer359 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten360 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite361 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die362 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.363 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere364 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur365 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel366 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht367 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte368 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen369 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen370 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden371 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht372 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr373 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten374 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der375 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest376 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am377 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet378 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten379 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus380 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne381 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man382 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des383 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen384 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter385 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen386 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern387 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,388 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu389 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in390 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu391 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße392 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und393 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist394 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden395 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter396 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu397 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den398 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,399 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes400 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die401 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen402 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen403 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,404 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im405 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.406 407 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise408 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem409 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen410 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,411 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten412 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.413 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete414 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für415 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch416 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“417 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten418 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert419 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener420 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene421 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und422 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen423 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher424 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies425 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter426 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,427 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine428 Zustimmung erneut abgeben müsste.429 430 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,431 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam432 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig433 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen434 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass435 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention436 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger437 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung438 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung439 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen440 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn441 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene442 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz443 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die444 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht445 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu446 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität447 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils448 schwächeren Partei wirksam schützt.449 450 -----------------------------------------------451 streitig Ende452 -----------------------------------------------453 454 Transparenzgrundsatz455 456 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung457 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich458 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei459 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,460 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,461 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet462 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende463 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive464 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in465 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung466 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim467 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),468 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.469 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne470 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).471 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte472 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,473 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen474 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,475 Datenschutzrecht, S. 136.]476 477 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele478 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer479 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.480 481 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit482 483 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist484 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG485 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten486 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen487 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel488 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine489 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf490 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende491 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle492 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:493 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht494 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht495 formuliert – eher als Programmsatz zuverstehen.496 -
2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Erlaubnisvorbehalt 2 3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in 4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit 5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der 6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert 7 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht 8 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 9 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. § 10 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit 11 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob 12 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf 13 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. 14 [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130 15 f.] 16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen 17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von 18 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 19 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen 20 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam 21 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte 22 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch 23 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne 24 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach 25 nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur 26 wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des 27 Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt 28 voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner 29 Entscheidung erkennen kann. 30 31 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder 32 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende 33 Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. 34 Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv 35 und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte 36 Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein 37 durch die Nutzung einer Website kann keine aktive 38 Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von 39 Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in 40 der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen, 41 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier 42 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer 43 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder 44 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen 45 Diensteanbietern gefördert wird. 46 47 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es 48 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation 49 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung 50 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige 51 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe 52 seiner Daten verleitet wird. 53 54 ----------------------------------------------- 55 streitig Anfang 56 ----------------------------------------------- 57 58 Überall dort, wo eine gestörte Vertragsparität vorliegt, 59 sollte die Einwilligung des Betroffenen unwirksam sein, so 60 insbesondere im Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer bzw. 61 Bewerber zum Arbeitgeber sowie Bürger - bspw. als 62 Leistungsempfänger - zum Staat , sofern es für die Abfrage 63 dieser persönlichen Daten keine gesetzliche Grundlage gibt. 64 Auch bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen 65 existiert keine Parität. So kann z.B. bei 66 internetbasierten Dienste, die ohne die Einwilligung zur 67 Preisgabe persönlicher Daten, die für die Erbringung des 68 Dienstes selbst nicht benötigt werden, nicht abgeschlossen 69 werden, von einer freiwilligen Einwilligung nicht 70 ausgegangen werden, wenn diese Dienstleistung nicht auch 71 ohne Datenerhebung erhältlich ist. 72 73 ----------------------------------------------- 74 streitig Ende 75 ----------------------------------------------- 76 77 ----------------------------------------------- 78 Alternativvorschlag Anfang 79 ----------------------------------------------- 80 81 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner 82 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird 83 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die 84 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben 85 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst 86 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber 87 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in 88 zumutbarer Weise zur Verfügung steht. 89 90 ----------------------------------------------- 91 Alternativvorschlag Ende 92 ----------------------------------------------- 93 94 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den 95 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung 96 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder 97 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert 98 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung 99 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet 100 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13 101 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox 102 erteilt werden kann. 103 104 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine 105 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis 106 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der 107 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden 108 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung 109 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die 110 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich 111 hier neue Herausforderungen. 112 113 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt 114 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der 115 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang 116 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung 117 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck 118 gespeichert werden sollen. 119 120 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form 121 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie 122 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine 123 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis, 124 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten 125 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund 126 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte, 127 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen 128 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich. 129 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative 130 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen. 131 132 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte 133 Transparenz und ein Überblick über die erteilten 134 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl 135 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten. 136 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von 137 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber, 138 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist 139 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können 140 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-, 141 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend 142 geltend machen. 143 144 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten 145 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und 146 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und 147 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz 148 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte 149 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann 150 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen 151 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für 152 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz, 153 Information und Einwilligung stehen. 154 155 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung 156 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf 157 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den 158 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen. 159 160 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre 161 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben 162 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden. 163 164 Erforderlichkeitsgrundsatz 165 166 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem 167 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und 168 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er 169 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der 170 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der 171 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen 172 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu 173 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so 174 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie 175 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den 176 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16 177 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige 178 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist. 179 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im 180 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive 181 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung 182 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 183 Datenschutzrecht, S. 136.] 184 185 Zweckbindungsgrundsatz 186 187 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für 188 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu 189 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. 190 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S. 191 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den 192 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu 193 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung 194 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. 195 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung 196 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau 197 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für 198 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen 199 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge 200 des Datenschutzrechts, S. 48.] 201 202 ----------------------------------------------- 203 streitig Anfang 204 ----------------------------------------------- 205 206 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die 207 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In 208 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch 209 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige 210 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote: 211 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.] 212 213 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der 214 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die 215 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer 216 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten 217 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite 218 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die 219 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw. 220 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere 221 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur 222 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel 223 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht 224 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte 225 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen 226 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen 227 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden 228 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht 229 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr 230 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten 231 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der 232 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest 233 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am 234 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet 235 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten 236 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus 237 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne 238 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man 239 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des 240 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen 241 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter 242 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen 243 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern 244 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen, 245 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu 246 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in 247 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu 248 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße 249 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und 250 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist 251 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden 252 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter 253 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu 254 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den 255 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider, 256 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes 257 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die 258 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen 259 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen 260 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar, 261 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im 262 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden. 263 264 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise 265 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem 266 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen 267 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen, 268 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten 269 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben. 270 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete 271 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für 272 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch 273 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“ 274 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten 275 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert 276 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener 277 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene 278 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und 279 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen 280 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher 281 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies 282 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter 283 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen, 284 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine 285 Zustimmung erneut abgeben müsste. 286 287 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt, 288 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam 289 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig 290 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen 291 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass 292 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention 293 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger 294 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung 295 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung 296 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen 297 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn 298 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene 299 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz 300 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die 301 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht 302 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu 303 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität 304 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils 305 schwächeren Partei wirksam schützt. 306 307 ----------------------------------------------- 308 streitig Ende 309 ----------------------------------------------- 310 311 Transparenzgrundsatz 312 313 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung 314 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich 315 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei 316 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65, 317 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, 318 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet 319 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende 320 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive 321 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in 322 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung 323 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim 324 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG), 325 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt. 326 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne 327 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG). 328 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte 329 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-, 330 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen 331 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 332 Datenschutzrecht, S. 136.] 333 334 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele 335 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer 336 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet. 337 338 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit 339 340 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist 341 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG 342 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten 343 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen 344 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel 345 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine 346 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf 347 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende 348 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle 349 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote: 350 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht 351 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht 352 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote: 353 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] 354 355 ----------------------------------------------- 356 streitig Anfang 357 ----------------------------------------------- 358 359 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte 360 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen 361 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass 362 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen 363 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur 364 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei 365 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen 366 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten 367 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu 368 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“ 369 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers, 370 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist 371 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei 372 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst 373 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen 374 greifen. 375 376 ----------------------------------------------- 377 streitig Ende 378 ----------------------------------------------- 379 -
2.1.2 Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Originalversion)
von EnqueteBuero, angelegt1 Erlaubnisvorbehalt 2 3 Ein zentraler Grundsatz des Datenschutzrechts lässt sich in 4 einem Satz wie folgt formulieren: Der Umgang mit 5 personenbezogenen Daten ist verboten, es sei denn, der 6 Betroffene willigt ein oder eine Rechtsnorm legitimiert 7 ihn. Dieser Grundsatz ist sowohl im Gemeinschaftsrecht 8 (Art. 7 DSRL), als auch im nationalen allgemeinen (§ 4 Abs. 9 1 BDSG) und bereichsspezifischen Datenschutzrecht (z.B. § 10 12 TMG) normiert. Demnach bestimmt sich die Zulässigkeit 11 eines jeden einzelnen Datenverarbeitungsvorgangs danach, ob 12 der Betroffene den Vorgang erlaubt hat oder ob er sich auf 13 einen gesetzlichen Erlaubnistatbestand stützen lässt. 14 [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 130 15 f.] 16 Die Einwilligung ist vor allem im nicht-öffentlichen 17 Bereich, neben den vertraglichen Legitimationen, von 18 erheblicher Bedeutung. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 19 Datenschutzrecht, S. 131.] Sie legitimiert einen 20 Datenverarbeitungsvorgang nur dann, wenn sie wirksam 21 erteilt wurde, wofür das Gesetz bestimmte 22 Mindestanforderungen vorsieht (vgl. § 4a BDSG oder auch 23 Art. 7 lit. a) DSRL wonach die betroffene Person „ohne 24 jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ haben muss). Nach 25 nationalem Recht (§ 4a BDSG) ist eine Einwilligung nur 26 wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des 27 Betroffenen beruht, also ohne Zwang erfolgt. Dies setzt 28 voraus, dass der Einzelne Bedeutung und Tragweite seiner 29 Entscheidung erkennen kann. 30 31 Deshalb ist die Einwilligung in die Datenerhebung oder 32 –verarbeitung nur dann zulässig, wenn die betreffende 33 Person „ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben“ hat. 34 Dies impliziert, dass die Einwilligung informiert, aktiv 35 und freiwillig zu geschehen hat. Eine informierte 36 Einwilligung setzt Transparenz und Kenntnis voraus. Allein 37 durch die Nutzung einer Website kann keine aktive 38 Einwilligung erteilt werden. Auch das Beibehalten von 39 Einstellungen von Internetdiensten oder Browsern, die in 40 der Voreinstellung nicht privacy by default vorsehen, 41 genügt nicht der Fiktion einer aktiven Einwilligung. Hier 42 wird die Kenntnis der möglichen Einstellungen und ihrer 43 Veränderungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die jedoch weder 44 bei jedem Nutzer gleichermaßen gegeben noch von allen 45 Diensteanbietern gefördert wird. 46 47 An der Möglichkeit zu einer freien Entscheidung kann es 48 jedoch fehlen, wenn die Einwilligung in einer Situation 49 wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnung 50 erteilt wird oder wenn der Betroffene durch übermäßige 51 Anreize finanzieller oder sonstiger Natur zur Preisgabe 52 seiner Daten verleitet wird. 53 54 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner 55 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird 56 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die 57 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben 58 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst 59 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber 60 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in 61 zumutbarer Weise zur Verfügung steht. 62 63 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den 64 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung 65 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder 66 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert 67 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung 68 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet 69 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13 70 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox 71 erteilt werden kann. 72 73 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine 74 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis 75 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der 76 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden 77 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung 78 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die 79 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich 80 hier neue Herausforderungen. 81 82 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt 83 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der 84 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang 85 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung 86 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck 87 gespeichert werden sollen. 88 89 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form 90 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie 91 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine 92 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis, 93 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten 94 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund 95 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte, 96 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen 97 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich. 98 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative 99 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen. 100 101 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte 102 Transparenz und ein Überblick über die erteilten 103 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl 104 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten. 105 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von 106 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber, 107 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist 108 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können 109 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-, 110 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend 111 geltend machen. 112 113 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten 114 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und 115 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und 116 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz 117 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte 118 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann 119 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen 120 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für 121 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz, 122 Information und Einwilligung stehen. 123 124 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung 125 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf 126 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den 127 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen. 128 129 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre 130 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben 131 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden. 132 133 Erforderlichkeitsgrundsatz 134 135 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem 136 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und 137 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er 138 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der 139 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der 140 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen 141 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu 142 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so 143 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie 144 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den 145 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16 146 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige 147 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist. 148 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im 149 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive 150 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung 151 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 152 Datenschutzrecht, S. 136.] 153 154 Zweckbindungsgrundsatz 155 156 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für 157 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu 158 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen. 159 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S. 160 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den 161 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu 162 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung 163 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist. 164 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung 165 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau 166 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für 167 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen 168 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge 169 des Datenschutzrechts, S. 48.] 170 171 ----------------------------------------------- 172 streitig Anfang 173 ----------------------------------------------- 174 175 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die 176 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In 177 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch 178 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige 179 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote: 180 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.] 181 182 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der 183 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die 184 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer 185 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten 186 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite 187 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die 188 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw. 189 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere 190 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur 191 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel 192 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht 193 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte 194 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen 195 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen 196 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden 197 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht 198 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr 199 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten 200 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der 201 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest 202 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am 203 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet 204 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten 205 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus 206 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne 207 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man 208 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des 209 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen 210 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter 211 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen 212 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern 213 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen, 214 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu 215 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in 216 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu 217 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße 218 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und 219 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist 220 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden 221 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter 222 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu 223 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den 224 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider, 225 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes 226 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die 227 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen 228 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen 229 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar, 230 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im 231 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden. 232 233 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise 234 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem 235 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen 236 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen, 237 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten 238 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben. 239 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete 240 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für 241 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch 242 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“ 243 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten 244 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert 245 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener 246 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene 247 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und 248 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen 249 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher 250 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies 251 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter 252 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen, 253 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine 254 Zustimmung erneut abgeben müsste. 255 256 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt, 257 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam 258 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig 259 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen 260 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass 261 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention 262 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger 263 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung 264 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung 265 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen 266 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn 267 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene 268 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz 269 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die 270 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht 271 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu 272 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität 273 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils 274 schwächeren Partei wirksam schützt. 275 276 ----------------------------------------------- 277 streitig Ende 278 ----------------------------------------------- 279 280 Transparenzgrundsatz 281 282 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung 283 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich 284 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei 285 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65, 286 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-, 287 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet 288 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende 289 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive 290 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in 291 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung 292 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim 293 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG), 294 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt. 295 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne 296 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG). 297 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte 298 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-, 299 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen 300 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, 301 Datenschutzrecht, S. 136.] 302 303 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele 304 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer 305 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet. 306 307 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit 308 309 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist 310 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG 311 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten 312 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen 313 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel 314 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine 315 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf 316 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende 317 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle 318 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote: 319 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht 320 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht 321 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote: 322 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] 323 324 ----------------------------------------------- 325 streitig Anfang 326 ----------------------------------------------- 327 328 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte 329 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen 330 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass 331 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen 332 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur 333 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei 334 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen 335 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten 336 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu 337 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“ 338 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers, 339 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist 340 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei 341 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst 342 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen 343 greifen. 344 345 ----------------------------------------------- 346 streitig Ende 347 ----------------------------------------------- 348 349 -----------------------------------------------350 Alternativvorschlag Anfang351 -----------------------------------------------352 353 Es gibt Situationen, in denen sich die Vertragspartner354 unterschiedlich stark gegenüberstehen. Für diese Fälle wird355 diskutiert, inwieweit eine freiwillige Einwilligung in die356 Datenerhebung vorliegt, insbesondere wenn Daten erhoben357 werden, die für die Erbringung der Dienstleistung selbst358 nicht benötigt werden. Für die Freiwilligkeit kann aber359 auch von Bedeutung sein, ob ein anderes Angebot in360 zumutbarer Weise zur Verfügung steht.361 362 -----------------------------------------------363 Alternativvorschlag Ende364 -----------------------------------------------365 366 Außerdem muss der Betroffene nach § 4a BDSG auf den367 vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung368 hingewiesen werden. Wenn die Situation es erfordert oder369 der Betroffene es verlangt, muss er auch darüber informiert370 werden, welche Folgen eine Verweigerung der Einwilligung371 nach sich zieht. Das geltende Recht lässt für das Internet372 die Möglichkeit einer elektronischen Einwilligung zu (§ 13373 Abs. 2 TMG), die z. B. durch Ankreuzen einer Checkbox374 erteilt werden kann.375 376 Nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist eine377 Einwilligung also nur dann wirksam, wenn sie in Kenntnis378 der entscheidungsrelevanten Umstände erteilt wird. Der379 Betroffene muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden380 Informationen Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung381 zur Datenfreigabe erkennen können. Im Hinblick auf die382 spezifischen Bedingungen im digitalen Bereich ergeben sich383 hier neue Herausforderungen.384 385 Die Frage von Transparenz- und Informationspflichten stellt386 sich in besonderem Maße. Auch Art und Weise der387 Informationspraxis sind bestimmend dafür, in welchem Umfang388 Bürgerinnen und Bürger bei Erteilung ihrer Einwilligung389 einschätzen können, welche Daten zu welchem Zweck390 gespeichert werden sollen.391 392 Die Einwilligung kann bislang in unterschiedlicher Form393 eingeholt werden (opt-in und opt-out, sowie394 unterschiedliche Formulierungen). Dies erfordert eine395 besondere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Textverständnis,396 der in der Regel in juristischer Sprache formulierten397 Textpassagen. Eine informierte Einwilligung aufgrund398 dieser, der Absicherung eines Unternehmens dienenden Texte,399 ist aufgrund der Art des Textes und der gegebenen400 Informationen daher für viele Menschen nur schwer möglich.401 Gerade in der digitalen Welt gäbe es aber auch alternative402 Formen, Informationen verständlich bereitzustellen.403 404 Einwilligungen werden unbefristet erteilt. Eine echte405 Transparenz und ein Überblick über die erteilten406 Einwilligungen ist für die Nutzer angesichts der Vielzahl407 der eingeforderten Einwilligungen nur schwer zu behalten.408 Der Betreiber des Dienstes unterscheidet sich oftmals von409 der datenverarbeitenden Stelle, eine Transparenz darüber,410 welche Dienste bzw. Unternehmen welche Daten erhalten, ist411 oftmals nicht vorhanden. In einer solchen Situation können412 die Arbeitnehmer/Bürger/Nutzer ihre Informations-,413 Widerrufs-, Korrektur- und Löschrechte nur unzureichend414 geltend machen.415 416 Eine autonome Entscheidung über die Preisgabe eigener Daten417 im Internet können Menschen dann fällen, wenn sie Vor- und418 Nachteile ihrer Einwilligung einschätzen und419 Handlungsalternativen erkennen können. Die Medienkompetenz420 des Einzelnen trägt wesentlich dazu bei, informierte421 Einwilligungen zu ermöglichen und zu befördern. Diese kann422 aber nicht in gleicher Ausprägung von allen Personen423 erwartet werden und kann nicht als Ersatz für424 bedürfnisgerechtere Anforderungen an Transparenz,425 Information und Einwilligung stehen.426 427 Im öffentlichen Bereich erfolgt die Datenverarbeitung428 personenbezogener Daten dagegen fast ausschließlich auf429 Grundlage gesetzlicher Erlaubnistatbestände, die den430 verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.431 432 Die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre433 zeigen allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben434 bei der Gesetzgebung teilweise nicht eingehalten wurden.435 436 Erforderlichkeitsgrundsatz437 438 Der Erforderlichkeitsgrundsatz folgt aus dem439 verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und440 ist zudem in Art. 7 lit. b) bis f) DSRL festgeschrieben. Er441 steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der442 Zweckfestlegung und der Zweckbindung. Demnach ist der443 Umgang mit personenbezogenen Daten auf das zum Erreichen444 des angestrebten Zieles erforderliche Minimum zu445 beschränken. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 46.] Es sollen nur so446 viele Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wie447 zur Zweckerreichung unbedingt notwendig. Für den448 öffentlichen Bereich ist der Grundsatz in §§ 13 bis 16449 (insbesondere in den Abs. 1) normiert, wobei der zulässige450 Zweck auf die öffentliche Aufgabenerfüllung begrenzt ist.451 Der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt aber auch im452 nicht-öffentlichen Bereich, wo seine effektive453 Verwirklichung durch eine möglichst genaue Zweckbestimmung454 bedingt ist. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,455 Datenschutzrecht, S. 136.]456 457 Zweckbindungsgrundsatz458 459 Der Zweckbindungsgrundsatz besagt, dass die Daten, die für460 einen bestimmten Zweck erhoben worden sind, auch nur zu461 diesem Zweck verarbeitet oder genutzt werden dürfen.462 [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S.463 48.] Der Zweck der Datenerhebung begrenzt folglich den464 weiteren Umgang mit den erhobenen Daten. Sie dürfen nur zu465 dem Zweck weiter verwendet werden, der von der Einwilligung466 oder der konkret legitimierenden Rechtsnorm erfasst ist.467 Das setzt voraus, dass das Ziel der Datenverarbeitung468 und/oder -nutzung bereits vor der Datenerhebung so genau469 wie möglich bestimmt ist. Eine Speicherung auf Vorrat für470 künftige, noch nicht bekannte Zwecke ist dagegen471 grundsätzlich unzulässig. [Fußnote: Gola/Klug, Grundzüge472 des Datenschutzrechts, S. 48.]473 474 -----------------------------------------------475 streitig Anfang476 -----------------------------------------------477 478 Vor allem im nicht-öffentlichen Bereich stößt die479 Beibehaltung dieses Grundsatzes auf praktische Probleme. In480 einer vernetzten Welt ist der Datenaustausch oftmals durch481 Spontanität und gerade nicht durch eine vorherige482 Festlegung des Verarbeitungszweckes bestimmt. [Fußnote:483 Kühling, Verw 40 (2007), 153, 159.]484 485 Die Frage der Freiwilligkeit einer Einwilligung hat in der486 digitalen Welt an Brisanz gewonnen. Wenn beispielsweise die487 Nutzung eines Online-Dienstes voraussetzt, dass der Nutzer488 durch Ankreuzen einer Checkbox der Erhebung seiner Daten489 zustimmt, so sind sich die Betroffenen über die Tragweite490 ihrer Entscheidung häufig nicht im Klaren. Da sie die491 entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Anbieters bzw.492 dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in die erstere493 bisweilen integriert sind, häufig nicht oder nur494 oberflächlich zur Kenntnis nehmen, erteilen sie im Zweifel495 alle Einwilligung, die sie bei genauerer Überlegung nicht496 erteilt hätten. Um zu klären, ob die für eine informierte497 und freiwillige Entscheidung wichtigen Informationen498 tatsächlich in ausreichend transparenter Weise vorgelegen499 haben, ist es dann jedoch bereits zu spät: Die Daten werden500 erhoben, und der Betroffene ist sich darüber häufig nicht501 im Klaren. Folglich kommt es im Nachhinein auch nicht mehr502 zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit der erteilten503 Einwilligung. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der504 Internetnutzer Datenschutzerklärungen ebenso wenig liest505 wie Allgemeine Geschäftsbedingungen und dennoch am506 elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Dies deutet507 darauf hin, dass die Mehrzahl der auf diesem Wege erteilten508 Einwilligungen nicht freiwillig erteilt worden sind, woraus509 zu schließen werde, dass in zahlreichen Fällen Daten ohne510 rechtliche Grundlage erhoben und gespeichert werden. Man511 erkennt hier, dass die an sich begrüßenswerte Intention des512 Gesetzgebers, einen maximalen Schutz der personenbezogenen513 Daten des Einzelnen zu ermöglichen, im Internetzeitalter514 nicht mehr verwirklicht wird. Die Praxis der elektronischen515 Einwilligung nach §13 Abs. 2 TMG wird von Diensteanbietern516 systematisch dazu genutzt, den Datenschutz zu unterlaufen,517 indem sie sich auf diese Weise die Zustimmung zu518 Datenerhebungen von den Nutzern erteilen lassen, die in519 aller Regel deren Interesse, die eigene Privatsphäre zu520 schützen, zuwiderlaufen. Anders gesagt: Das bloße521 „Abklicken“ einer Einwilligung in die Erhebung und522 Verwendung personenbezogener Daten zu allerlei Zwecken ist523 nur formal eine freiwillige Einwilligung. Faktisch werden524 Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise entmündigt. Dahinter525 steht das Interesse der Anbieter, diese Daten zu526 monetarisieren. Derartige Geschäftsmodelle laufen den527 Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch dann zuwider,528 wenn sie eine kostenfreie Nutzung des betreffenden Dienstes529 allererst ermöglichen, weil sie darauf basieren, die530 Privatsphäre des Einzelne dem Primat der wirtschaftlichen531 Wertschöpfung zu unterwerfen. Schon heute ist bei vielen532 Onlinediensten für die Nutzer nicht mehr durchschaubar,533 wozu ihre Daten genutzt werden und in welcher Weise sie im534 Rahmen von Datenhandel weiterverbreitet werden.535 536 Um das Datenschutzrecht in einer bürgerfreundlichen Weise537 weiterzuentwickeln, sind Regelungen zu schaffen, die dem538 Nutzer seine verlorene Souveränität wiedergeben. Ihm müssen539 Mittel an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen,540 die Kontrolle über die Erhebung personenbezogener Daten541 tatsächlich, nicht nur formal selbst auszuüben.542 Privacy-by-default-Modelle sind hierfür geeignete543 Ansatzpunkte. Denkbar sind auch verbindliche Vorgaben für544 die Diensteanbieter, die es diesen auferlegen, stets auch545 eine Alternative zu der Option einer „freiwilligen“546 Zustimmung zur umfassenden Erhebung personenbezogener Daten547 anzubieten. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert548 werden, dass ein aktives Anklicken verschiedener549 Berechtigungen zwingend vorgeschrieben wird. Der Betroffene550 müsste dann jeweils gesondert in die Erhebung und551 Verarbeitung personenbezogener Daten zu unterschiedlichen552 Verwendungszwecken, in den Einsatz unterschiedlicher553 Webtracking-Techniken und unterschiedlicher Cookies554 einwilligen. Zu bedenken wäre auch, die Einwilligung unter555 dem Vorbehalt einer Erneuerung zeitlich zu befristen,556 sodass nach Ablauf einer gewissen Zeit der Nutzer seine557 Zustimmung erneut abgeben müsste.558 559 Wo von vornherein eine gestörte Vertragsparität vorliegt,560 sollte die Einwilligung des Betroffenen auch dann unwirksam561 sein, wenn sie nach derzeit geltendem Recht freiwillig562 erteilt wurde, da in Abhängigkeitsverhältnissen563 grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass564 Freiwilligkeit im Sinne der gesetzgeberischen Intention565 tatsächlich gegeben ist. Wenn etwa Sozialhilfeempfänger566 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit in die Speicherung567 einwilligen, weil sie fürchten, dass diese Einwilligung568 eine Voraussetzung für den Leistungsbezug darstellen569 könnte, ist dies ebenso problematisch, wie wenn570 Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber umfassende personenbezogene571 Daten zur Verfügung stellen. Der im Bundesdatenschutzgesetz572 vorgesehene Vorbehalt der freiwilligen Einwilligung in die573 Erhebung personenenbezogener Daten ist deshalb nicht574 unreflektiert auf das Beschäftigungsverhältnis zu575 übertragen. Vielmehr ist im Falle gestörter Vertragsparität576 eine Regelung vorzusehen, die die Rechte der jeweils577 schwächeren Partei wirksam schützt.578 579 -----------------------------------------------580 streitig Ende581 -----------------------------------------------582 583 Transparenzgrundsatz584 585 Die informationelle Selbstbestimmung setzt nach Auffassung586 des BVerfG voraus, dass Bürger wissen und grundsätzlich587 auch entscheiden können sollen, „wer was wann und bei588 welcher Gelegenheit“ über ihn weiß. [Fußnote: BVerfGE 65,589 1, 43.]Das setzt wiederum voraus, dass Datenerhebungs-,590 -verarbeitungs- und -nutzungsvorgänge transparent gestaltet591 werden. Zudem ist der Transparenzgrundsatz die grundlegende592 Voraussetzung dafür, dass Betroffene aktive593 Datenschutzrechte wahrnehmen können. Transparenz wird in594 erster Linie durch den Grundsatz der Direkterhebung595 verwirklicht, wonach die Daten grundsätzlich beim596 Betroffenen zu erheben sind (§ 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BDSG),597 so dass er unmittelbar Kenntnis von dem Vorgang erlangt.598 Nur unter engen Voraussetzungen darf die Datenerhebung ohne599 Mitwirkung des Betroffenen erfolgen (§ 4 Abs. 2 S. 2 BDSG).600 Flankiert wird das Transparenzgebot durch Auskunftsrechte601 und Informations-, Benachrichtigungs-, Unterrichtungs-,602 Hinweis- und Aufklärungspflichten der verantwortlichen603 Stelle. [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis,604 Datenschutzrecht, S. 136.]605 606 Gerade im nicht-öffentlichen Bereich wissen oftmals viele607 Bürgerinnen und Bürger nicht, wer eigentliche welche ihrer608 Daten zu welchen Zwecken speichert und verwendet.609 610 Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit611 612 Der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist613 – obwohl nicht durch die DSRL vorgegeben – in § 3a BDSG614 normiert und besagt, dass so wenig personenbezogene Daten615 wie möglich erhoben, verarbeitet oder genutzt werden sollen616 und auch die Datenverarbeitungssysteme an diesem Ziel617 auszurichten sind. Dabei handelt es sich um eine618 Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf619 technischer Ebene: Schon durch die entsprechende620 Technikgestaltung soll das Recht auf informationelle621 Selbstbestimmung präventiv geschützt werden. [Fußnote:622 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.] Da der Grundsatz nicht623 sanktionsbewehrt ist, ist er – obwohl als Rechtspflicht624 formuliert – eher als Programmsatz zu verstehen. [Fußnote:625 Gola/Schomerus, BDSG, § 3a Rn. 1.]626 627 -----------------------------------------------628 streitig Anfang629 -----------------------------------------------630 631 Das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sollte632 durch klare Normierung gestärkt werden. Die zahlenreichen633 Datenskandale der letzten Zeit haben deutlich gemacht, dass634 die Umsetzung des datenschutzrechtlichen635 Erforderlichkeitsgrundsatzes in technische Features nur636 funktionieren kann, wenn die Aufsichtsbehörden bei637 Nichtbeachtung der Vorschrift wirksame Sanktionen verhängen638 können. Ziel muss es sein, nur die für einen bestimmten639 Zweck tatsächlich notwendigen Daten sammeln zu dürfen. Dazu640 ist eine Normierung des Grundsatzes „privacy-by-design“641 erforderlich. Es ist Aufgabe des Gesetzesgebers,642 entsprechende Anreize zu schaffen. Vorstellbar ist643 beispielsweise ein System der abgestuften Erwiderung, bei644 dem Anbietern, die sich rechtswidrig verhalten, zunächst645 ein Warnhinweis zugestellt wird, bevor weitere Sanktionen646 greifen.647 648 -----------------------------------------------649 streitig Ende650 -----------------------------------------------651