Papier: 2.1.1 Schutzgegenstand
Originalversion
1 | Datenschutz bildet den zentralen Motor des Vertrauens und |
2 | der Akzeptanz moderner informationstechnischer |
3 | Entwicklungen. Ziel des Datenschutzrechts ist der Erhalt und |
4 | die Stärkung des Persönlichkeitsrecht unter den Bedingungen |
5 | der Datenverarbeitung und –erhebung, insbesondere in Gestalt |
6 | des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Der Erhalt |
7 | der Kontrolle über den Umgang mit Daten und Informationen, |
8 | die einen selbst betreffen, ist das zwingende Äquivalent |
9 | einer auf die Stärkung des Einzelnen wie auch unseres |
10 | demokratischen Gemeinwesens insgesamt abzielenden |
11 | gesellschaftlichen Gesamtentwicklung. |
12 | |
13 | Zentraler Anknüpfungspunkt des bestehenden |
14 | Datenschutzkonzepts sind die sog. „personenbezogenen Daten“. |
15 | [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. |
16 | 100.] Im Mittelpunkt der Abwägungen des Datenschutzes aber |
17 | stehen Informationen, nicht Daten. Es geht regelmäßig um |
18 | Interessen der Grundrechtsträger, dass staatliche Stellen |
19 | oder Dritte etwas nicht als Information erfahren und nutzen |
20 | können, und auf der anderen Seite deren Wissens- und |
21 | Verwertungsinteressen. |
22 | |
23 | Personenbezogene Daten werden definiert als „Einzelangaben |
24 | über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer |
25 | bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“ (Art. 2 |
26 | lit. a DSRL, § 3 Abs. 1 BDSG). Der Begriff wird weit |
27 | verstanden und umfasst praktisch jede Information, die mit |
28 | einer natürlichen Person in Verbindung gebracht werden kann. |
29 | Es genügt also eine „Personenbeziehbarkeit“. [Fußnote: |
30 | Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S. 40.] Angaben |
31 | über persönliche Verhältnisse betreffen etwa |
32 | Identifikationsmerkmale, äußere Merkmale, aber auch innere |
33 | Zustände (z.B. Meinungen), Angaben über sachliche |
34 | Verhältnisse dagegen alle Beziehungen des Betroffenen zu |
35 | Dritten und zur Umwelt (z.B. Eigentumsverhältnisse, |
36 | Vertragsbeziehungen). [ Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, |
37 | Datenschutzrecht, S. 101.] |
38 | |
39 | Auch das BVerfG geht in seiner ständigen Rechtsprechung von |
40 | einem weiten Verständnis aus. So hat das Gericht in seinem |
41 | wegweisenden Volkszählungsurteil zu den Angaben |
42 | personenbezogener Daten ausgeführt: „Entscheidend sind ihre |
43 | Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit. Diese hängen |
44 | einerseits von dem Zweck, dem die Erhebung dient, und |
45 | andererseits von den der Informationstechnologie eigenen |
46 | Verarbeitungsmöglichkeiten und Verknüpfungsmöglichkeiten ab. |
47 | Dadurch kann ein für sich gesehen belangloses Datum einen |
48 | neuen Stellenwert bekommen; insoweit gibt es unter den |
49 | Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein |
50 | ‚belangloses‘ Datum mehr.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 45.] |
51 | |
52 | Weiterer regulatorischer Anknüpfungspunkt ist der Umgang mit |
53 | diesen Daten. Dabei werden in der DSRL und im BDSG |
54 | unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Während in der |
55 | DSRL die „Verarbeitung“ (im weiteren Sinne) der Daten als |
56 | Oberbegriff für jeden Vorgang im Zusammenhang mit den |
57 | personenbezogenen Daten zu verstehen ist (Art. 2 lit. b |
58 | DSRL), unterscheidet das BDSG zwischen den einzelnen |
59 | Vorgängen der Erhebung, Verarbeitung (im engeren Sinne) und |
60 | (sonstigen) Nutzung der Daten (§ 4 Abs. 1 BDSG). Materiell |
61 | erfasst sind vor allem die Erhebung, Speicherung, |
62 | Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung von |
63 | personenbezogenen Daten. Dabei ist ein technikneutrales |
64 | Verständnis zu Grunde zu legen. Erfasst sind sowohl |
65 | automatische als auch nicht-automatische Verfahren. |
66 | [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 49.] |
67 | Für einen kleinen Ausschnitt der personenbezogenen Daten |
68 | gilt, in Anpassung an die Vorgaben der |
69 | EG-Datenschutzrichtlinie 95/46, ein erhöhtes Schutzniveau: |
70 | Hierzu gehören die sog. sensiblen Daten wie rassische oder |
71 | ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder |
72 | philosophische Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit |
73 | und Daten über die Gesundheit und die Sexualität (vgl. Art. |
74 | 8 DSRL, § 3 Abs. 9 BDSG). |
75 | |
76 | In der digitalen Welt wirft das Kriterium des Personenbezugs |
77 | allerdings zunehmend Probleme auf. Durch die Möglichkeit, |
78 | Daten aller Art in einem bislang nicht dagewesenen Ausmaß |
79 | miteinander zu verknüpfen, kann quasi jedes Datum zu einem |
80 | personenbezogenen werden. |
81 | |
82 | Persönlichkeitsrechtlich problematisch erscheint zunehmend |
83 | weniger der Personenbezug an sich als vielmehr die |
84 | Möglichkeit, jederzeit unterschiedlichste Daten aller Art |
85 | mit einzelnen Personen zu verknüpfen und in |
86 | unterschiedlicher Weise auszuwerten. Geodaten, die an sich |
87 | keine personenbezogenen Daten sind, jedoch schon immer |
88 | personenbeziehbar waren, werden offensichtlich von vielen |
89 | Menschen als problematisch im persönlichkeitsrechtlichen |
90 | Sinne empfunden, wenn bestimmte technische Möglichkeiten der |
91 | Verknüpfung und gezielten Recherche bestehen. Angesichts |
92 | solcher Entwicklungen greift die Frage, ob Geodaten |
93 | personenbezogene oder auch nur personenbeziehbare Daten |
94 | sind, zu kurz. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Datenschutz bildet den zentralen Motor des Vertrauens und |
2 | der Akzeptanz moderner informationstechnischer |
3 | Entwicklungen. Ziel des Datenschutzrechts ist der Erhalt und |
4 | die Stärkung des Persönlichkeitsrecht unter den Bedingungen |
5 | der Datenverarbeitung und –erhebung, insbesondere in Gestalt |
6 | des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Der Erhalt |
7 | der Kontrolle über den Umgang mit Daten und Informationen, |
8 | die einen selbst betreffen, ist das zwingende Äquivalent |
9 | einer auf die Stärkung des Einzelnen wie auch unseres |
10 | demokratischen Gemeinwesens insgesamt abzielenden |
11 | gesellschaftlichen Gesamtentwicklung. |
12 | |
13 | Zentraler Anknüpfungspunkt des bestehenden |
14 | Datenschutzkonzepts sind die sog. „personenbezogenen Daten“. |
15 | [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. |
16 | 100.] Im Mittelpunkt der Abwägungen des Datenschutzes aber |
17 | stehen Informationen, nicht Daten. Es geht regelmäßig um |
18 | Interessen der Grundrechtsträger, dass staatliche Stellen |
19 | oder Dritte etwas nicht als Information erfahren und nutzen |
20 | können, und auf der anderen Seite deren Wissens- und |
21 | Verwertungsinteressen. |
22 | |
23 | Personenbezogene Daten werden definiert als „Einzelangaben |
24 | über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer |
25 | bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“ (Art. 2 |
26 | lit. a DSRL, § 3 Abs. 1 BDSG). Der Begriff wird weit |
27 | verstanden und umfasst praktisch jede Information, die mit |
28 | einer natürlichen Person in Verbindung gebracht werden kann. |
29 | Es genügt also eine „Personenbeziehbarkeit“. [Fußnote: |
30 | Gola/Klug, Grundzüge des Datenschutzrechts, S. 40.] Angaben |
31 | über persönliche Verhältnisse betreffen etwa |
32 | Identifikationsmerkmale, äußere Merkmale, aber auch innere |
33 | Zustände (z.B. Meinungen), Angaben über sachliche |
34 | Verhältnisse dagegen alle Beziehungen des Betroffenen zu |
35 | Dritten und zur Umwelt (z.B. Eigentumsverhältnisse, |
36 | Vertragsbeziehungen). [ Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, |
37 | Datenschutzrecht, S. 101.] |
38 | |
39 | Auch das BVerfG geht in seiner ständigen Rechtsprechung von |
40 | einem weiten Verständnis aus. So hat das Gericht in seinem |
41 | wegweisenden Volkszählungsurteil zu den Angaben |
42 | personenbezogener Daten ausgeführt: „Entscheidend sind ihre |
43 | Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit. Diese hängen |
44 | einerseits von dem Zweck, dem die Erhebung dient, und |
45 | andererseits von den der Informationstechnologie eigenen |
46 | Verarbeitungsmöglichkeiten und Verknüpfungsmöglichkeiten ab. |
47 | Dadurch kann ein für sich gesehen belangloses Datum einen |
48 | neuen Stellenwert bekommen; insoweit gibt es unter den |
49 | Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein |
50 | ‚belangloses‘ Datum mehr.“ [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 45.] |
51 | |
52 | Weiterer regulatorischer Anknüpfungspunkt ist der Umgang mit |
53 | diesen Daten. Dabei werden in der DSRL und im BDSG |
54 | unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Während in der |
55 | DSRL die „Verarbeitung“ (im weiteren Sinne) der Daten als |
56 | Oberbegriff für jeden Vorgang im Zusammenhang mit den |
57 | personenbezogenen Daten zu verstehen ist (Art. 2 lit. b |
58 | DSRL), unterscheidet das BDSG zwischen den einzelnen |
59 | Vorgängen der Erhebung, Verarbeitung (im engeren Sinne) und |
60 | (sonstigen) Nutzung der Daten (§ 4 Abs. 1 BDSG). Materiell |
61 | erfasst sind vor allem die Erhebung, Speicherung, |
62 | Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung von |
63 | personenbezogenen Daten. Dabei ist ein technikneutrales |
64 | Verständnis zu Grunde zu legen. Erfasst sind sowohl |
65 | automatische als auch nicht-automatische Verfahren. |
66 | [Fußnote: Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, S. 49.] |
67 | Für einen kleinen Ausschnitt der personenbezogenen Daten |
68 | gilt, in Anpassung an die Vorgaben der |
69 | EG-Datenschutzrichtlinie 95/46, ein erhöhtes Schutzniveau: |
70 | Hierzu gehören die sog. sensiblen Daten wie rassische oder |
71 | ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder |
72 | philosophische Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit |
73 | und Daten über die Gesundheit und die Sexualität (vgl. Art. |
74 | 8 DSRL, § 3 Abs. 9 BDSG). |
75 | |
76 | In der digitalen Welt wirft das Kriterium des Personenbezugs |
77 | allerdings zunehmend Probleme auf. Durch die Möglichkeit, |
78 | Daten aller Art in einem bislang nicht dagewesenen Ausmaß |
79 | miteinander zu verknüpfen, kann quasi jedes Datum zu einem |
80 | personenbezogenen werden. |
81 | |
82 | Persönlichkeitsrechtlich problematisch erscheint zunehmend |
83 | weniger der Personenbezug an sich als vielmehr die |
84 | Möglichkeit, jederzeit unterschiedlichste Daten aller Art |
85 | mit einzelnen Personen zu verknüpfen und in |
86 | unterschiedlicher Weise auszuwerten. Geodaten, die an sich |
87 | keine personenbezogenen Daten sind, jedoch schon immer |
88 | personenbeziehbar waren, werden offensichtlich von vielen |
89 | Menschen als problematisch im persönlichkeitsrechtlichen |
90 | Sinne empfunden, wenn bestimmte technische Möglichkeiten der |
91 | Verknüpfung und gezielten Recherche bestehen. Angesichts |
92 | solcher Entwicklungen greift die Frage, ob Geodaten |
93 | personenbezogene oder auch nur personenbeziehbare Daten |
94 | sind, zu kurz. |
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