Papier: 1.3.1 Grundrechte
Originalversion
1 | Das Grundgesetz kennt kein ausdrückliches |
2 | Datenschutz-Grundrecht. Allerdings hat das |
3 | Bundesverfassungsgericht bereits 1983 in seinem sogenannten |
4 | „Volkszählungsurteil“ das Grundrecht auf informationelle |
5 | Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen |
6 | Persönlichkeitsrechtes (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. |
7 | 1 Abs. 1 GG) formuliert. Forderungen, den Datenschutz |
8 | ausdrücklich als Grundrecht im Grundgesetz zu verankern, |
9 | fanden bisher nicht die erforderliche Mehrheit. [Fußnote: |
10 | Viele Landesverfassungen enthalten hingegen ein |
11 | eigenständiges Datenschutzgrundrecht, vgl. die |
12 | Landesverfassungen von Berlin (Art. 33), Brandenburg (Art. |
13 | 11), Bremen (Art. 12), Mecklenburg-Vorpommern (Art. 6), |
14 | Nordrhein-Westfalen (Art. 4), Rheinland-Pfalz (Art. 4a), |
15 | Saarland (Art. 2), Sachsen (Art. 33), Sachsen-Anhalt (Art. |
16 | 6) und Thüringen (Art. 6).] Nach der Rechtsprechung des |
17 | Bundesverfassungsgerichts beinhaltet das Grundrecht auf |
18 | informationelle Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen, |
19 | „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung |
20 | seiner persönlichen Daten zu bestimmen“. [Fußnote: BVerfGE |
21 | 65, 1, 43.] Die Unsicherheit, wo welche personenbezogenen |
22 | Informationen gespeichert, verwendet oder weitergegeben |
23 | werden, würde „nicht nur die individuellen |
24 | Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern |
25 | auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare |
26 | Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und |
27 | Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten |
28 | freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“ [Fußnote: |
29 | BVerfGE 65, 1, 43.] „Mit dem Recht auf informationelle |
30 | Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine |
31 | diese ermög-lichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der |
32 | Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei |
33 | welcher Gelegenheit über sie weiß“. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, |
34 | 43.] In den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen alle |
35 | Formen der Erhebung personenbezogener Daten. Angesichts der |
36 | Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten der |
37 | Informationstechnologie geht das Bundesverfassungsgericht |
38 | davon aus, dass es „unter den Bedingungen der automatischen |
39 | Datenverarbeitung kein „belangloses“ Datum mehr“ gebe. |
40 | [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 45, zum Grundrecht auf |
41 | informationelle Selbstbestimmung vgl. im Übrigen unter |
42 | 2.1.5.] |
43 | |
44 | Im Hinblick auf die Fragestellungen der Enquete-Kommission |
45 | sind als weitere Ausprägungen des allgemeinen |
46 | Persönlichkeitsrechts das Recht am eigenen Bild von |
47 | Bedeutung, das u. a. den Einzelnen vor der Aufnahme, |
48 | Darbietung, Verbreitung und sonstigen Verwertung seines |
49 | Abbildes schützt [Fußnote: Di Fabio in Maunz/Dürig, |
50 | Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 2 GG, Rn. 193.], sowie |
51 | das 2008 durch das Bundesverfassungsgericht formulierte |
52 | „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und |
53 | Integrität informationstechnischer Systeme“. [Fußnote: |
54 | BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008, NJW 2008, 822 |
55 | („Online-Durchsuchung“).] Nach der Rechtsprechung des |
56 | Gerichts handelt es sich um ein subsidiäres Grundrecht, das |
57 | hinter anderen Grundrechten, etwa dem Brief-, Post- und |
58 | Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) oder der Unverletzlichkeit |
59 | der Wohnung (Art. 13 GG) zurücktritt und erst dann zur |
60 | Anwendung kommt, wenn vorrangige Grundrechte keinen |
61 | hinreichenden Schutz vor Eingriffen in |
62 | informationstechnische Systeme gewähren. [Fußnote: Zum |
63 | Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und |
64 | Integrität informationstechnischer Systeme vgl. im Übrigen |
65 | unter 2.1.3.] |
66 | |
67 | Grundlegend für den Datenschutz sind weiterhin die |
68 | Grundrechte nach Art. 10 GG (Brief-, Post- und |
69 | Fernmeldegeheimnis, auch als „Telekommunikationsgeheimnis“ |
70 | bezeichnet) und Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). |
71 | Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung schützt u. |
72 | a. vor Durchsuchungen und Abhörmaßnahmen, etwa wenn hierfür |
73 | in die Wohnung eingedrungen wird. [Fußnote: BVerfG, NJW |
74 | 2004, 999 (1001).] Durch das Fernmeldegeheimnis wird die |
75 | unbeobachtete, nicht öffentliche Kommunikation unabhängig |
76 | von der Übertragungsart (Kabel, Funk, analoge oder digitale |
77 | Vermittlung) und unabhängig von deren Ausdrucksformen |
78 | (Sprache, Bilder, Töne, Zeichen oder sonstige Daten) |
79 | geschützt, und zwar auch über das Internet, etwa als E-Mail. |
80 | [Fußnote: BVerfGE 120, 274, 307.] Der Schutz erstreckt sich |
81 | nicht nur auf die Inhalte der Kommunikation, sondern auch |
82 | auf die Kommunikationsumstände [Fußnote: BVerfGE 113, 348, |
83 | 364.], etwa die beteiligten Personen, Zeit, Ort und |
84 | Häufigkeit der Kommunikation. An Art. 10 GG zu messen ist |
85 | weiterhin der Informations- und Datenverarbeitungsprozess, |
86 | der sich an zulässige Kenntnisnahmen von geschützten |
87 | Kommunikationsvorgängen anschließt, sowie der Gebrauch, der |
88 | von den so erlangten Kenntnissen gemacht wird. [Fußnote: |
89 | BVerfGE 113, 348, 365.] Da das Telekommunikationsgeheimnis |
90 | vorrangig vor der Manipulation des technischen |
91 | Übertragungsvorgangs schützt, endet der Schutz des |
92 | Fernmeldegeheimnisses, sobald der Übertragungsvorgang |
93 | abgeschlossen ist. Bezogen auf die Telekommunikation enthält |
94 | Art. 10 GG eine spezielle Garantie, die das Recht auf |
95 | informationelle Selbstbestimmung verdrängt und aus der sich |
96 | besondere Anforderungen für die Daten ergeben, die durch |
97 | Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlangt werden. Nach der |
98 | Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich |
99 | allerdings die Maßgaben, die für das Recht auf |
100 | informationelle Selbstbestimmung gelten, weitgehend auf |
101 | Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis übertragen. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | Das Grundgesetz kennt kein ausdrückliches |
2 | Datenschutz-Grundrecht. Allerdings hat das |
3 | Bundesverfassungsgericht bereits 1983 in seinem sogenannten |
4 | „Volkszählungsurteil“ das Grundrecht auf informationelle |
5 | Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen |
6 | Persönlichkeitsrechtes (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. |
7 | 1 Abs. 1 GG) formuliert. Forderungen, den Datenschutz |
8 | ausdrücklich als Grundrecht im Grundgesetz zu verankern, |
9 | fanden bisher nicht die erforderliche Mehrheit. [Fußnote: |
10 | Viele Landesverfassungen enthalten hingegen ein |
11 | eigenständiges Datenschutzgrundrecht, vgl. die |
12 | Landesverfassungen von Berlin (Art. 33), Brandenburg (Art. |
13 | 11), Bremen (Art. 12), Mecklenburg-Vorpommern (Art. 6), |
14 | Nordrhein-Westfalen (Art. 4), Rheinland-Pfalz (Art. 4a), |
15 | Saarland (Art. 2), Sachsen (Art. 33), Sachsen-Anhalt (Art. |
16 | 6) und Thüringen (Art. 6).] Nach der Rechtsprechung des |
17 | Bundesverfassungsgerichts beinhaltet das Grundrecht auf |
18 | informationelle Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen, |
19 | „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung |
20 | seiner persönlichen Daten zu bestimmen“. [Fußnote: BVerfGE |
21 | 65, 1, 43.] Die Unsicherheit, wo welche personenbezogenen |
22 | Informationen gespeichert, verwendet oder weitergegeben |
23 | werden, würde „nicht nur die individuellen |
24 | Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern |
25 | auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare |
26 | Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und |
27 | Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten |
28 | freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“ [Fußnote: |
29 | BVerfGE 65, 1, 43.] „Mit dem Recht auf informationelle |
30 | Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine |
31 | diese ermög-lichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der |
32 | Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei |
33 | welcher Gelegenheit über sie weiß“. [Fußnote: BVerfGE 65, 1, |
34 | 43.] In den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen alle |
35 | Formen der Erhebung personenbezogener Daten. Angesichts der |
36 | Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten der |
37 | Informationstechnologie geht das Bundesverfassungsgericht |
38 | davon aus, dass es „unter den Bedingungen der automatischen |
39 | Datenverarbeitung kein „belangloses“ Datum mehr“ gebe. |
40 | [Fußnote: BVerfGE 65, 1, 45, zum Grundrecht auf |
41 | informationelle Selbstbestimmung vgl. im Übrigen unter |
42 | 2.1.5.] |
43 | |
44 | Im Hinblick auf die Fragestellungen der Enquete-Kommission |
45 | sind als weitere Ausprägungen des allgemeinen |
46 | Persönlichkeitsrechts das Recht am eigenen Bild von |
47 | Bedeutung, das u. a. den Einzelnen vor der Aufnahme, |
48 | Darbietung, Verbreitung und sonstigen Verwertung seines |
49 | Abbildes schützt [Fußnote: Di Fabio in Maunz/Dürig, |
50 | Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art. 2 GG, Rn. 193.], sowie |
51 | das 2008 durch das Bundesverfassungsgericht formulierte |
52 | „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und |
53 | Integrität informationstechnischer Systeme“. [Fußnote: |
54 | BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008, NJW 2008, 822 |
55 | („Online-Durchsuchung“).] Nach der Rechtsprechung des |
56 | Gerichts handelt es sich um ein subsidiäres Grundrecht, das |
57 | hinter anderen Grundrechten, etwa dem Brief-, Post- und |
58 | Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) oder der Unverletzlichkeit |
59 | der Wohnung (Art. 13 GG) zurücktritt und erst dann zur |
60 | Anwendung kommt, wenn vorrangige Grundrechte keinen |
61 | hinreichenden Schutz vor Eingriffen in |
62 | informationstechnische Systeme gewähren. [Fußnote: Zum |
63 | Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und |
64 | Integrität informationstechnischer Systeme vgl. im Übrigen |
65 | unter 2.1.3.] |
66 | |
67 | Grundlegend für den Datenschutz sind weiterhin die |
68 | Grundrechte nach Art. 10 GG (Brief-, Post- und |
69 | Fernmeldegeheimnis, auch als „Telekommunikationsgeheimnis“ |
70 | bezeichnet) und Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). |
71 | Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung schützt u. |
72 | a. vor Durchsuchungen und Abhörmaßnahmen, etwa wenn hierfür |
73 | in die Wohnung eingedrungen wird. [Fußnote: BVerfG, NJW |
74 | 2004, 999 (1001).] Durch das Fernmeldegeheimnis wird die |
75 | unbeobachtete, nicht öffentliche Kommunikation unabhängig |
76 | von der Übertragungsart (Kabel, Funk, analoge oder digitale |
77 | Vermittlung) und unabhängig von deren Ausdrucksformen |
78 | (Sprache, Bilder, Töne, Zeichen oder sonstige Daten) |
79 | geschützt, und zwar auch über das Internet, etwa als E-Mail. |
80 | [Fußnote: BVerfGE 120, 274, 307.] Der Schutz erstreckt sich |
81 | nicht nur auf die Inhalte der Kommunikation, sondern auch |
82 | auf die Kommunikationsumstände [Fußnote: BVerfGE 113, 348, |
83 | 364.], etwa die beteiligten Personen, Zeit, Ort und |
84 | Häufigkeit der Kommunikation. An Art. 10 GG zu messen ist |
85 | weiterhin der Informations- und Datenverarbeitungsprozess, |
86 | der sich an zulässige Kenntnisnahmen von geschützten |
87 | Kommunikationsvorgängen anschließt, sowie der Gebrauch, der |
88 | von den so erlangten Kenntnissen gemacht wird. [Fußnote: |
89 | BVerfGE 113, 348, 365.] Da das Telekommunikationsgeheimnis |
90 | vorrangig vor der Manipulation des technischen |
91 | Übertragungsvorgangs schützt, endet der Schutz des |
92 | Fernmeldegeheimnisses, sobald der Übertragungsvorgang |
93 | abgeschlossen ist. Bezogen auf die Telekommunikation enthält |
94 | Art. 10 GG eine spezielle Garantie, die das Recht auf |
95 | informationelle Selbstbestimmung verdrängt und aus der sich |
96 | besondere Anforderungen für die Daten ergeben, die durch |
97 | Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlangt werden. Nach der |
98 | Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich |
99 | allerdings die Maßgaben, die für das Recht auf |
100 | informationelle Selbstbestimmung gelten, weitgehend auf |
101 | Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis übertragen. |
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