1.6 Rechtsprechung nationaler Verwaltungs- und Zivilgerichte

1-1 von 1
  • 1.6 Rechtsprechung nationaler Verwaltungs- und Zivilgerichte (Originalversion)

    von EnqueteBuero, angelegt
    1 Zulässigkeit und Grenzen personenbezogener Bewertungsportale
    2 im Internet sind Gegenstand der Entscheidung des
    3 Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2009 [Fußnote:
    4 „Spickmich.de“, BGHZ 181, 328.]. Der BGH lehnte einen
    5 Anspruch der klagenden Lehrerin auf Löschung oder
    6 Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, des Namens
    7 der Schule, der unterrichteten Fächer sowie einer Bewertung
    8 durch die Nutzer ab. Auch Meinungsäußerungen über eine
    9 bestimmte oder bestimmbare Person oder diesbezügliche
    10 Bewertungen stellten personenbezogene Daten dar. Die
    11 Erhebung, Speicherung und Übermittlung solcher Beurteilungen
    12 richte sich daher nach dem BDSG. Im konkreten Fall sei die
    13 Erhebung und Speicherung der Bewertung trotz fehlender
    14 Einwilligung der Lehrerin gemäß § 29 BDSG zulässig.
    15 Voraussetzung hierfür ist nach § 29 BDSG, dass „kein Grund
    16 zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein
    17 schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss“ der
    18 Datenerhebung und -speicherung hat. Bei der Prüfung des
    19 „schutzwürdigen Interesses“ hat der BGH eine Abwägung
    20 zwischen der Meinungsfreiheit der Nutzer aus Art. 5 Abs. 1
    21 GG und dem Persönlichkeitsrecht der Bewerteten vorgenommen
    22 und im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt der
    23 Meinungsfreiheit den Vorrang eingeräumt. [Fußnote: Die gegen
    24 das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das
    25 Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16. August 2010
    26 nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1750/09).]
    27
    28 Mit Urteil vom 9. Dezember 2003 [Fußnote:
    29 „Luftbildaufnahmen“, NJW 2004, 766.]hat der
    30 Bun-desgerichtshof zivilrechtliche Ansprüche auf
    31 Unterlassung der Veröffentlichung in der Presse von
    32 Luftbildaufnahmen, die Privathäuser einer Prominenten
    33 zeigten, abgelehnt. Das Fotografieren der Außenansicht eines
    34 Grundstücks von einer allgemein zugänglichen Straße aus und
    35 die Verbreitung dieser Fotos stelle regelmäßig keine
    36 Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Wenn aber jemand
    37 „unter Überwindung bestehender Hindernisse oder mit
    38 geeigneten Hilfsmitteln (Teleobjektiv, Leiter, Flugzeug)“
    39 ein privates Anwesen ausspähe, liege grundsätzlich ein
    40 Eingriff in die Privatsphäre vor. Im konkreten Fall hat das
    41 Gericht dennoch einen Unterlassungsanspruch verneint, da bei
    42 Abwägung der betroffenen Grundrechte die Pressefreiheit aus
    43 Art. 5 Abs. 1 GG überwiege. Von der Pressefreiheit nicht
    44 gedeckt sei aber die Veröffentlichung einer Wegbeschreibung
    45 zum Grundstück. Auch die Installation von
    46 Überwachungskameras auf einem Privatgrundstück kann das
    47 Persönlichkeitsrecht eines vermeintlich überwachten Nachbars
    48 beeinträchtigen (BGH-Urteil vom 16. März 2010). [Fußnote:
    49 „Überwachungskamera“, NJW 2010, 1533.]
    50
    51 In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Fragen
    52 des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte u. a. in
    53 folgenden Entscheidungen aufgegriffen worden: Arbeitgeber
    54 und Betriebsrat seien grundsätzlich befugt, eine
    55 Videoüberwachung im Betrieb einzuführen. Die Zulässigkeit
    56 des damit verbundenen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte
    57 der Arbeitnehmer richte sich nach dem Grundsatz der
    58 Verhältnismäßigkeit (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom
    59 26. August 2008). [Fußnote: „Videoüberwachung im Betrieb“,
    60 BAGE 127, 276; die Regelung des § 32 BDSG „Datenerhebung,
    61 -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des
    62 Beschäftigungsverhältnisses“ ist erst nach der Entscheidung
    63 am 1. September 2009 in Kraft getreten. Die Vorschrift
    64 regelt u. a.: „Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen
    65 personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben,
    66 verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende
    67 tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der
    68 Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat
    69 begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur
    70 Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse
    71 des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung,
    72 Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art
    73 und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht
    74 unverhältnismäßig sind.“] Bei Abschluss von
    75 Betriebsvereinbarungen sei gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1
    76 Be-triebsverfassungsgesetz (BetrVG) die freie Entfaltung der
    77 Persönlichkeit der beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen
    78 und hierbei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
    79 wahren. Mit Beschluss vom 12. August 2008 [Fußnote: Az. 7
    80 ABR 15/08.] äußerte sich das Gericht zum Leserecht einzelner
    81 Mitglieder des Betriebsrates. Das Recht, die elektronisch
    82 gespeicherten Unterlagen des Betriebsrats einzusehen,
    83 umfasse auch das Leserecht auf elektronischem Weg, und zwar
    84 jederzeit, wie dies in § 34 Abs. 3 BetrVG vorgesehen sei.
    85 Dem stünden auch die Schweigepflicht der Mitglieder des
    86 Betriebsrats und datenschutzrechtliche Vorschriften nicht
    87 entgegen.
    88
    89 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. März 2002
    90 [Fußnote: „Herausgabe von Stasi-Unterlagen“, BVerwGE 116,
    91 104.] die Herausgabe von Stasi-Unterlagen mit
    92 personenbezogenen Informationen über Personen der
    93 Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder
    94 Amtsträger in Ausübung ihres Amtes nach der damaligen
    95 Fassung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für unzulässig
    96 erklärt, wenn diese systematisch vom Staatsicherheitsdienst
    97 ausgespäht wurden. Im Hinblick auf eine mögliche Änderung
    98 des Gesetzes weist das Gericht darauf hin, dass bei der
    99 Weitergabe rechtsstaatswidrig erworbener Informationen dem
    100 Persönlichkeitsrecht ein höherer Schutz zukomme, als dies
    101 bei der sonstigen Veröffentlichung von Informationen über
    102 Personen der Zeitgeschichte und Amtsträger in Ausübung ihres
    103 Amtes der Fall sei. [Fußnote: Der Gesetzgeber hat dem
    104 Rechnung getragen und § 32 Abs. 1 Stasi-Unterlagen-Gesetz
    105 dahingehend geändert, dass Unterlagen mit personenbezogenen
    106 Informationen ohne Einwilligung der Betroffenen nur zur
    107 Verfügung gestellt werden dürfen, „soweit durch deren
    108 Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der
    109 dort genannten Personen beeinträchtigt werden. Bei der
    110 Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die
    111 Informationserhebung erkennbar auf einer
    112 Menschenrechtsverletzung beruht.“.]
    113
    114 Werden personenbezogene Informationen durch eine sachlich
    115 unzuständige Behörde weitergegeben, stellt dies einen
    116 Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle
    117 Selbstbestimmung dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat
    118 hierzu mit Urteil vom 9. März 2005 entschieden, ein Eingriff
    119 in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sei
    120 grundsätzlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Daten
    121 zwar von einer anderen Behörde rechtmäßig hätten
    122 weitergegeben werden dürfen, im konkreten Fall aber eine
    123 sachlich unzuständige Behörde gehandelt habe. [Fußnote:
    124 „Scientology“, NJW 2005, 2330.]
    125
    126 Nach § 7 Bundesnachrichtendienstgesetz (BNDG) in Verbindung
    127 mit § 15 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)
    128 erteilt der Bundesnachrichtendienst dem Betroffenen auf
    129 Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten
    130 Daten, soweit er ein besonderes Interesse an der Auskunft
    131 darlegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.
    132 März 2010 [Fußnote: „Auskunftsanspruch BND“, Az. 6 A
    133 2/09.]ausgeführt, dass eine Auskunftserteilung unter
    134 Berufung auf die in § 15 Abs. 2 BVerfSchG aufgeführten
    135 Geheimhaltungsgründe nur dann abgelehnt werden könne, wenn
    136 eine Abwägung im Einzelfall ergebe, dass das
    137 Auskunftsinteresse zurückstehen müsse. Dagegen erstrecke
    138 sich die Auskunftsverpflichtung von vornherein nicht auf die
    139 Herkunft der Daten (§ 15 Abs. 3 BVerfSchG).